21.05.2025

Digitale Resilienz als Standortfaktor – Europa braucht echte Wahlfreiheit in der Cloud

Was bedeutet Resilienz in einer zunehmend digitalisierten Welt? Die Antwort reicht weit über technische Ausfallsicherheit hinaus. Digitale Resilienz bedeutet, dauerhaft handlungsfähig zu bleiben – wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. Sie beschreibt die Fähigkeit, Systeme nicht nur gegen äußere Schocks abzusichern, sondern sie so zu gestalten, dass sie auf langfristige Stabilität, Innovationsfähigkeit und strategische Unabhängigkeit ausgerichtet sind. 

In Europa wird diese Frage zunehmend an der digitalen Infrastruktur verhandelt. Die Debatte um „Souveräne Cloud“ ist dabei Ausdruck eines tieferliegenden Paradigmenwechsels: Weg von der reinen Kosten- und Skalendiskussion, hin zur Frage, wie wir unsere digitale Zukunft wertebasiert und unabhängig gestalten wollen. 

Hyperscaler, Abhängigkeiten und der europäische Anspruch 

Cloud-Technologien gelten zu Recht als Rückgrat der digitalen Wirtschaft. Anwendungen in Industrie, Gesundheitswesen, öffentlicher Verwaltung oder Forschung wären ohne sie kaum denkbar.  

Wenn wir über Resilienz reden, geht es dabei nicht um einen Protektionismus europäischer Prägung – wohl aber um das Recht auf Wahlfreiheit. Europäische Akteure müssen in der Lage sein, souverän zu entscheiden, wie und auf welchen digitalen Infrastrukturen sie ihre Workloads betreiben. Dazu gehört der gleichberechtigte Zugang zu internationalen Hyperscalern ebenso wie die Nutzung interoperabler, föderierter Alternativen nach internationalen Standards. 

Resilienz durch Vielfalt: Wahlfreiheit ist kein Luxus  

Souveränität bedeutet in diesem Kontext nicht Ausschluss, sondern Gestaltungsmacht. Projekte wie Gaia-X oder das europäische Förderprogramm 8ra ( IPCEICIS) zeigen: Ein resilientes Cloud-Ökosystem entsteht durch Vielfalt –   so wie ein Unternehmen robuster wird, wenn es auf unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen, Kompetenzen und Diversität setzt. Föderierte Architekturen, offene Schnittstellen und Open-Source-basierte Dienste können dabei wichtige Bausteine sein – auch im Zusammenspiel mit internationalen Anbietern. 

Wie aktuell das Thema in Unternehmen ist, zeigt auch die „Sovereign Cloud 2024“Studie: 26 Prozent der Unternehmen nutzen bereits eine Sovereign Cloud, während sich 36 Prozent in der Planungsphase befinden – ein klares Signal für den wachsenden Bedarf an digitaler Souveränität und Resilienz. 1 

Was Europa fehlt, ist nicht Technologie, sondern strategische Koordination und marktwirksame Umsetzung. Beides ist umso wichtiger, als Europa in viele Nationalstaaten zersplittert ist. Kleine und mittelgroße Anbieter, branchenspezifische Lösungen und sektorale Plattformen bleiben zu oft in Pilotprojekten stecken. Gleichzeitig fehlen vielfach verbindliche Standards, Zertifizierungen und regulatorische Klarheit, die Vertrauen aufbauen und Investitionssicherheit schaffen. Nicht zuletzt mangelt es den regionalen Providern oft an Sichtbarkeit im Markt. 

Impulse aus der Praxis: EuroClouds Rolle im digitalen Europa 

EuroCloud Deutschland bringt sich in diesem Spannungsfeld aktiv ein – als Fachverband, Plattformgeber und Impulsgeber. Auf dem Executive Roundtable „Cloud und die digitale Resilienz Europas“ wurde deutlich: Die Cloud-Frage ist längst zur strategischen Infrastrukturfrage geworden. Es geht nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“: Wie sichern wir Innovationsfähigkeit und Compliance? Wie garantieren wir Wettbewerb und Wahlfreiheit?  Wie verankern wir europäische Werte wie Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Datenschutz in globalen Technologien? Und wie verhelfen wir insbesondere kleineren Anbietern zu mehr Sichtbarkeit? 

EuroCloud plädiert für ein pragmatisches, mehrdimensionales Modell: 

  • Wahlfreiheit als Grundlage eines offenen Marktzugangs 
  • Vielfalt und Offenheit als Treiber für Innovation und Resilienz
  •  Zusammenarbeit als Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg 

Dieses Modell setzt auf Vertrauen durch Governance – nicht durch Kontrolle. Es ermöglicht hybride Architekturen, bei denen europäische Anbieter, Open-Source-Technologien und Hyperscaler nicht im Widerspruch stehen, sondern sich funktional ergänzen. 

Digitale Resilienz braucht einen europäischen Ordnungsrahmen 

Wenn Europa digitale Resilienz nicht dem Zufall überlassen will, braucht es mehr als politische Leitbilder – es braucht eine belastbare Strategie, die Infrastrukturen, Märkte und Werte integriert. Cloud-Architekturen werden in den kommenden Jahren maßgeblich darüber entscheiden, wie souverän, innovativ und wettbewerbsfähig Europa bleibt. 

Digitale Resilienz ist damit nicht nur ein technologischer Imperativ, sondern eine europäische Standortfrage – eine, die wir jetzt beantworten müssen.

Digitale Resilienz als Standortfaktor – Europa braucht echte Wahlfreiheit in der Cloud