14.03.2019

Viel Bewegung, wenig Fortschritte: eco zieht digitalpolitische Bilanz nach erstem Regierungsjahr

Heute ist die Bundesregierung ein Jahr im Amt. Was hat sich in dieser Zeit digitalpolitisch getan? Im ersten Jahr der GroKo hat sich digitalpolitisch viel bewegt, doch konkrete Fortschritte bei der Umsetzung der digitalpolitischen Meilensteine und Vorhaben wurde in den vergangen 12 Monaten nicht erreicht. eco hat auf Grundlage des Koalitionsvertrages der Bundesregierung digitalpolitische Bilanz gezogen und die wichtigsten digitalpolitischen Handlungsfelder analysiert hat.

Die Vorstellung eines Digitalkabinetts, die Gründung eines Digitalrats, die Ernennung einer Staatsministerin für Digitales sowie auch die vorgelegte Umsetzungsstrategie Digitalisierung und die KI-Strategie zeigen, dass Digitalisierung in Deutschland auch von der Bundesregierung inzwischen politisch angegangen wird. Gleichzeitig zeigt sich aber zu oft, zuletzt bei der Novellierung des europäischen Urheberrechts, dass Deutschland die gebündelte Kompetenz zur Umsetzung der formulierten Ziele des Koalitionsvertag, insbesondere auf europäischer Ebene, fehlt. - so lautet das Fazit von eco.

Dabei ist der digitale Wandel das wichtigste wirtschaftspolitische Vorhaben der nächsten Jahre. Es bedarf einer konsequenten digitalpolitischen Synchronisation, einer Politik aus einem Guss, ohne Stückwerk und Kompetenzgerangel. Der in dieser Legislaturperiode von der Bundesregierung neu eingerichtete Kabinettausschuss für Digitalisierung endlich beweisen, dass Digitalpolitik ressortübergreifend und als Querschnittsthema die strategischen Ziele erreichen und die Vorhaben konsistent umsetzen kann.

eco hat die digitalpolitschen Entwicklungen der letzten 12 Monate anhand des Koalitionsvertrags analysiert:

Breitbandausbau

Breitbandausbau bleibt zentrale Herausforderung für die Bundesregierung. Das Problembewusstsein in der Bundesregierung scheint hoch zu sein. Mit einem Sondervermögen für Digitale Infrastrukturen sollen zusätzlich zu den Erlösen aus den 5G-Lizenzen Mittel für den Breitbandausbau bereitstellen. Auch wurden Fördermaßgaben angepasst, so dass der Breitbandausbau verstärkt mit Zukunfts- und weniger mit Brückentechnologien erfolgt. Wie sich dies in der Umsetzung entwickelt, bleibt abzuwarten.

IT-Sicherheit

Im Bereich der IT-Sicherheit sind derzeit noch wenig Aktivitäten zu verzeichnen. Ein „IT-Sicherheitsgesetz 2.0“ ist für das Jahr 2019 angekündigt. Über mögliche Inhalte und Ziele wird noch spekuliert. Doch auf europäischer Ebene trägt die Bundesregierung derzeit wenig zur Verbesserung der Sicherheit von IT-Systemen bei.  Mit ihrer Zustimmung zur Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte wälzt sie ihre Verantwortung auf Dienste und deren Anbieter ab. Bei der Abschaffung der problematischen Vorratsdatenspeicherung ist sie untätig. Das Thema Verschlüsselung und deren Stärkung geht sie nicht an. Stattdessen baut sie mit dem Bundestrojaner weiter auf fragwürdige Methoden bei der Ausnutzung von Sicherheitslücken.

Blockchain

Beim Thema Blockchain ist die Bundesregierung noch nicht aktiv geworden. Sie hat eine Konsultation gestartet und möchte mehr Erkenntnisse gewinnen. Diese sollen den Grundstein für eine Blockchainstrategie legen, die für den Sommer 2019 in Aussicht gestellt ist.

Datenschutz

Die Verpflichtung auf ein hohes Datenschutzniveau treibt die Bundesregierung voran. Das so genannte „Omnibusgesetz“ ist bereits verabschiedet. Für den TK-Bereich ist dies noch nicht erfolgt, da die Beratungen der ePVO andauern, was aufgrund der komplexen Materie auch zwingend erforderlich ist. Die weitere datenschutzrechtliche Regulierung von Plattformen ist dementsprechend auch noch nicht möglich. Fraglich ist auch, ob diese überhaupt erforderlich ist. Um dem wachsenden Thema Künstlicher Intelligenz Rechnung zu tragen, das einen hohen Bezug zum Thema Datenschutz hat, hat die Bundesregierung eine KI-Strategie vorgelegt, die allerdings verstärkt auf Forschung und Entwicklung abzielt und eine Datenethikkommission eingesetzt.

Urheberrecht

Der Verpflichtung auf eine verbindliche Neuregelung des Urheberrechts hat die Bundesregierung unterlassen und im Rat der Urheberrechtsnovelle der EU zugestimmt. Statt der Umsetzung des Koalitionsvertrages bescherte die Bundesregierung hier Nutzern und Plattformbetreibern Uploadfilter. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht explizit, dass eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern als unverhältnismäßig abzulehnen ist. Deutschland hätte sich dementsprechend auf EU-Ebene klar gegen die Einführung dieses unverhältnismäßigen Instruments aussprechen müssen.

TMG/ E-Commerce-RL

Die Bundesregierung hat sich an verschiedenen Stellen aktiv daran beteiligt, die bestehende Hostproviderhaftung zu durchlöchern. Auf europäischer Ebene beispielsweise durch die Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte und Urheberrechtsregelung. Nationale Konkretisierung in Form des NetzDG wurden die Fehler und Unsicherheiten des Gesetzes fortgeschrieben - zum Schaden der Nutzer.

Filmförderung

Die Filmförderung soll überarbeitet werden. Die Bundesregierung hat hierfür erste Abfragen und Konsultationen gestartet.

Straftaten und Strafverfolgung im Internet

Bei der verstärkten Verfolgung von Straftaten im Internet sind vor allem die Bemühungen der Regierungen auf europäischer Ebene in Bezug auf die Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte anzuführen. Eine tatsächliche organisatorische Verbesserung der Strafverfolgungsbehörden lässt indes weiter auf sich warten. Einzig die Harmonisierung der Polizeigesetze wird derzeit verfolgt. Stattdessen droht mit der e-Evidence Initiative nun eine Stärkung der nationalen Ermittlungsbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten, die zukünftig grenzübergreifend auf Informationen Zugriff erhalten sollen.

Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Das NetzDG hat sich als weitgehend überflüssig erwiesen. Gleichwohl wurden die ebenfalls von eco kritisierten Bußgeldleitlinien verabschiedet und veröffentlicht.

Moderne Verwaltung

Die Pläne zur stärkeren Digitalisierung der Verwaltung stecken in den Startlöchern fest. Die für das kommende Jahr avisierte Umstellung auf elektronische Aktenführung in den Bundesministerien wird aller Voraussicht nach von nicht allen Ministerien erfolgt sein.

Verbraucherschutz

Mit der Musterfeststellungsklage hat die Bundesregierung ein Instrument der kollektiven Interessensvertretung von Verbraucherinnen und Verbrauchern geschaffen. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Instrument tatsächlich gehoffte die Wirkung entfaltet.

Derzeit ist hier auf nationaler Ebene wenig vorzuweisen.

Wettbewerbs- und Kartellrecht

Die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 hat ihre Arbeit aufgenommen und diskutiert Möglichkeiten der zukunftsfesten Ausgestaltung des Wettbewerbsrechts, insbesondere auf europäischer Ebene. Darüber hinaus ist für dieses Jahr die 10. GWB Novelle geplant.

Digitale Bildungsoffensive

Einen Durchbruch konnte die Bundesregierung in der Diskussion mit den Ländern im Bereich Bildung erzielen, wo der Digitalpakt mittlerweile festgeschrieben wurde. Die Zustimmung des Bundesrates am Freitag ist zu erhoffen, so dass die Ausschüttung der Mittel bald erfolgen kann.

Modernes Arbeiten

Auch die Modernisierung der Arbeitswelt ist derzeit noch nicht sehr weit vorangeschritten. Derzeit werden verschiedene Initiativen diskutiert. Die große Koalition streitet beispielsweise über das von der SPD geforderte Recht auf Arbeiten von zu Hause aus. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Bundesregierung neue Chancen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen will. Dazu könnte ein recht auf Home Office bzw. das Recht auf mobiles Arbeiten einen Beitrag leisten.

Forschung

Die Bundesregierung setzt einen starken Schwerpunkt auf akademische Forschung und knüpft im Bereich der Anwendung für die Wirtschaft primär an bestehende Initiativen an. Im Bereich der Forschung ist maßgeblich die KI-Strategie der Bundesregierung hervorzuheben, die im November vergangenen Jahres im Kabinett verabschiedet wurde. Für die Förderung von zukunftsentscheidenden Technologien wie etwa der Künstlichen Intelligenz will die Bundesregierung jedoch nur drei Milliarden Euro bis 2025 ausgeben. Fraglich ist, ob angesichts der der zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel Deutschland im Bereich der Schlüsseltechnologie KI international zu Ländern wie den USA und China aufschließen kann.

Steuerpolitik

National gibt es eine unklare Diskussionslage um eine Digitalsteuer, die derzeit auf europäischer Ebene vorangetrieben wird. Diese Debatte hilft nicht weiter. Besteuerung wird ebenfalls im Entwurf der „Nationalen Industriestrategie 2030“ thematisiert. Hier werden Ansätze aufgegriffen, die dazu dienen könnten, die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben.

Digitalagentur

Derzeit ist keine Digitalagentur eingesetzt, dafür hat die Bundesregierung einen Digitalrat konstituiert und lässt sich von diesem in zentralen Fragen der Digitalisierung beraten. Die zusätzliche Expertise bietet eine Chance, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Maßgebliche Herausforderung in der weiteren Digitalpolitik wird die Umsetzung der im November 2019 vorgestellten Digitalstrategie der Bundesregierung und der darin enthaltenen Vorhaben.

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