26.05.2015

EuroCloud Deutschland Conference 2015: Voraussetzungen für erfolgreiche Cloud-Geschäftsmodelle

Ausführlicher Nachbericht zur EuroCloud Deutschland Conference 2015

Über 100 internationale Cloud-Experten trafen sich am 12. Mai bei der EuroCloud Deutschland Conference in der Wolkenburg in Köln. Sie durften sich über ein abwechslungsreiches Programm mit Vorträgen renommierter Referenten, Workshops, Diskussionen und der Verleihung des EuroCloud Deutschland Awards in zwei Kategorien freuen. Aktuelle Trends in der Branche waren ebenso Thema wie die Dauerbrenner Akzeptanz, Marketing und Sicherheit.

audienceZudem bestand die Möglichkeit, Fachwissen auszutauschen und neue Geschäftskontakte zu knüpfen.Eingeladen hatte der Verband der deutschen Cloud-Computing-Wirtschaft EuroCloud Deutschland_eco e. V., dessen Vorstandssprecher Thomas von Bülow und Direktor Andreas Weiss, der für das Programm verantwortlich zeichnete, die Teilnehmer im voll besetzten Festsaal der Wolkenburg begrüßten.

calro_veltenDie erste Keynote hielt Dr. Carlo Velten, CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research, zu Produkt- und Vertriebsstrategien. Er wies darauf hin, dass in Deutschland Security und Datenschutz wesentliche Themen in Verbindung mit der Cloud seien. In Bezug auf die Sicherheitsbedenken hätten deutsche und europäische Cloud-Anbieter große Vorteile gegenüber Anbietern aus China oder den USA. Aber er betonte auch: „Mit Security als alleiniger Argumentation verkauft man keine Cloud Services.“ Die Cloud sei zudem kein Selbstzweck. Als Produkt- und Vertriebsstrategie empfahl er daher: „Cloud Services müssen in einen strategischen Zusammenhang gebracht werden.“

16977643883_9c763c63e3_mVincent in ’t Veld, Director Business Development Cloud bei Interxion, erläuterte in seiner Keynote zu „Hybrid IT and Cloud connection“, dass hybride Infrastrukturen sowohl heute als auch in der mittel- bis langfristigen Zukunft die bevorzugte Strategie darstellten. Das habe eine Studie von IDG Connect im Auftrag von Interxion ergeben. 45 Prozent der europäischen Unternehmen nutzten demnach bereits hybride IT-Lösungen, in Deutschland seien es sogar 58 Prozent. Vincent in ’t Veld empfahl Anbietern: „Kämpft nicht gegen die vier großen Player im Cloud Computing. Baut Eure Services besser um deren Angebote herum oder schafft außergewöhnliche neue.“

Cloud-Trendthemen

Klaus_NowitzkiKlaus Nowitzky (Pironet NDH) stellte in seinem Vortrag mit dem Thema „ISVs und die Transformation in ein Cloud-Geschäftsmodell“ fest, dass die Sicherheit ein wichtiges Thema bei Cloud-basierten Geschäftsmodellen ist und bleibt. Die Herausforderung für die Anbieter laute daher: „Man muss das Vertrauen der Endkunden gewinnen.“ Software-Unternehmen, die ins Cloud-Geschäft einsteigen wollten, müssten von Produktgeschäft zu Servicegeschäft umdenken. Dieser Transformationsprozess betreffe alle Unternehmensbereiche. Seine Empfehlung dazu: „Pay as you grow.“ Dieses Prinzip veranschaulichte Nowitzky anhand eines Phasenmodells mit Startphase, Aufbauphase und Wachstumsphase. Wichtig sei es, bereits im Vorfeld abzuschätzen, wie viele Kunden innerhalb von sechs Monaten gewonnen werden könnten.

IMG_0213Mit einer Analogie zur Sportwelt machte Matthias Zastrow (EMC Deutschland) die Herausforderungen deutlich, denen Unternehmen sich bei der Implementierung neuer Geschäftsmodelle oder einer kompletten Neuausrichtung ausgesetzt sehen (können). Die klassische heutige IT sei auf langfristige Ziele ausgelegt und werde typischerweise durch Standardisierung, Automatisierung und Konsolidierung geprägt. Er zog dabei den Vergleich mit Marathonläufern. Andere – beispielsweise Unternehmen, die Apps entwickelten – wollten dagegen gern schnell an den Markt kommen und einen schnellen Return on Investment erreichen. Sie verglich er mit Sprintern. „Marathonläufer werden nicht so einfach zu Sprintern und umgekehrt“, so Zastrow weiter. Die Technologie für die Transformation zu Service Brokern sei vorhanden, man müsse aber die Mitarbeiter mit ins Boot holen und Skills für die neue Ausrichtung entwickeln. Mit Insellösungen ließe sich nur schwer Erfolg erzielen, vielmehr sollten Anbieter den Kunden aufzeigen, wie Applikationen und Prozesse zusammenspielen könnten.

christian_loehnertDem Trendthema Big Data widmete sich Christian Löhnert (ConSol Software). Zu Beginn seines Vortrags stellte er fest: „Auf Veranstaltungen ist die Begeisterung für Big Data sehr groß. Trotzdem nutzen es nur wenige.“ Ein Grund dafür sei, dass viele nicht wüssten, was Big-Data-Technologie für sie leisten könne. „Buzzwords verschleiern oft das Potenzial von Big Data. Wir müssen stattdessen eine klare Sprache finden und nutzen“, so Löhnert. Zum Einstieg in Big Data biete sich eine Analysephase mit einem Assessment an, an dem alle Unternehmensbereiche beteiligt sein sollten. Anschließend ließen sich Daten-Cluster erstellen, mit deren Hilfe eine einfache und schnelle Einführung der Big-Data-Technologie erreicht werden könne.

Zum Abschluss des Vormittags zogen Klaus Nowitzky, Dr. Carlo Velten und Christian Löhnert im Rahmen einer von Andreas Weiss moderierten Podiumsdiskussion ihr Resümee aus den bisherigen Vorträgen. Nowitzky stellte fest: „Jeder Unternehmer hat inzwischen die Frage nach der Einführung einer Cloud-Lösung für sich beantwortet. Es geht oft nur noch um den Zeitraum. Das war vor zwei Jahren noch anders. Damals musste man in Gesprächen noch viel mehr erklären.“ Die Teilnehmer der Diskussion waren sich einig, dass das Thema Cloud vom Hype zu einem tragfähigen Geschäftsmodell gereift sei. Wolle sich ein Unternehmen beispielsweise von einem Softwarehaus zu einem Cloud-Service-Anbieter wandeln, müsse es allerdings investieren. Auf Nachfrage aus dem Publikum zu den Kosten des Transformationsprozesses nannten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion konkrete Zahlen, die allerdings ein breites Spektrum aufwiesen. Zwischen 50.000 bis 500.000 Euro müsse ein ISV in den Transformationsprozess stecken. Dr. Velten dazu: „Nach Abschluss der ersten Verträge mit Kunden sollte man schauen, ob das Geschäftsmodell profitabel ist. Falls nicht, lieber schnell wieder raus.“ Weiss wies auf eine wichtige Voraussetzung hin, damit das Geschäftsmodell sowohl für die Anbieter als auch für die Kunden erfolgreich sein könne: „Die Angebote am Markt müssen in Einklang gebracht werden mit den Bedürfnissen der Kunden.“

Cloud-Akzeptanz und -Marketing

Nach einer Mittagspause stellte Thomas Niessen das Kompetenzzentrum Trusted Cloud vor. Dabei handelt es sich um ein Technologieprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit starkem Fokus auf kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) – sowohl auf Anbieter- als auch auf Kundenseite. „Das Label Trusted Cloud soll zu einem Qualitätsmerkmal etabliert werden“, erläuterte Niessen. „Ein weiteres Ziel ist es, Markttransparenz über Cloud-Angebote herzustellen. Und wir möchten den Austausch zwischen Anbietern und Anwendern intensivieren.“ Das Kompetenzzentrum Trusted Cloud solle nun zu einem Kompetenznetzwerk erweitert werden. Weitere Mitstreiter seien herzlich willkommen.

Die Akzeptanzfaktoren für die Verwendung von Cloud Services im Mittelstand hat die Hochschule Aschaffenburg untersucht. Als Mitverantwortliche des Projekts präsentierte Meike Schumacher einige Ergebnisse. Habe sich ein KMU dafür entschieden, Cloud Services zu nutzen, spiele bei der Entscheidung für ein konkretes Angebot vor allem der Preis eine große Rolle. „Der billigste Anbieter gewinnt“, so Schumacher. Möglichst niedrige Preise zu erreichen und dennoch eine Gewinnmarge zu erzielen, sei nur über hochgradig standardisierte Angebote möglich. Zudem sei für KMUs die Datenhaltung in Deutschland wichtig, da hierzulande ein hoher Datenschutzstandard herrsche. „Je größer die Kunden sind, desto mehr spielen Flexibilität, individuelle Lösungen und eine persönliche Betreuung eine Rolle“, so Schumacher weiter. „Der Preis ist für sie dagegen kein ausschlaggebender Faktor.“

Jens_EckhardtDass das Thema Datenschutz untrennbar mit dem Thema Cloud verknüpft ist, wurde in nahezu allen Vorträgen und Diskussionen während der Konferenz deutlich. Mit Dr. Jens Eckhardt (JUCONOMY Rechtsanwälte) beleuchtete ein Rechtsanwalt das Thema aus juristischer Sicht. Er erklärte, dass innerhalb der EU das Recht des Landes gelte, in dem der Anbieter seinen Sitz habe. Wer also beispielsweise aus Deutschland bei Amazon S. a. r. l. in Luxemburg bestelle, unterliege luxemburgischem Datenschutzrecht. Bei Bestellungen in den USA käme aber deutsches Datenschutzrecht zur Anwendung. Grundsätzlich seien bei grenzüberschreitendem Datenverkehr – also auch bei grenzüberschreitenden Cloud-Lösungen – zwei Punkte maßgeblich: „Dürfen die Daten ins Ausland transferiert werden und dürfen sie einem Dritten zugänglich gemacht werden?“ EU-weit könne man beide Punkte in einem Vertrag lösen, bei Drittstaaten sei das rechtlich anspruchsvoller, so Dr. Eckhardt. Er sagte aber auch: „Eine rechtskonforme Gestaltung ist möglich.“ Wichtig sei in jedem Fall, Transparenz zu liefern und Akzeptanz zu schaffen.

tobias_hoellwarth_2In einem kurzweiligen Vortrag befasste sich Dr. Tobias Höllwarth mit den größten Herausforderungen für Cloud Service Provider. Wer sich dem Prinzip „Late Adopter“ verschreibe, andere vorrennen lasse und diese Vorläufer später kopieren wolle, sollte sich nicht darauf verlassen, damit zu großem Erfolg zu kommen, denn diese Strategie funktioniere nur, wenn die anderen nicht mehr weiterliefen. Eine wesentliche Herausforderung sieht Dr. Höllwarth darin, dass sich die Diskussionen rund um Cloud Services – auch mit potenziellen Kunden – nach wie vor oft um dieselben Punkte drehen würden. „Wer immer dieselben hundert Fragen beantwortet, kommt nie dazu, die Kernbereiche seines Cloud-Angebots zu thematisieren“, warnte er.

Cloud lessons learned

Ein hochkarätiges Teilnehmerfeld widmete sich gegen Ende der Konferenz in einer Paneldiskussion den Erkenntnissen, die aus den bisherigen Erfahrungen für künftige Cloud-Geschäftsmodelle gezogen werden können. Mit von der Partie waren Dr. Bettina Horster (VIVAI), Christian Niegel (Arthur D. Little), Markus Stahl (SAP Deutschland), Oliver Thylmann (Giant Swarm) und Andreas Weiss (EuroCloud Deutschland_eco).

Abschluss_Diskussion_ECDC_2Dr. Horster erinnerte sich an ihre ersten Berührungspunkte mit der Cloud. „Das war im Jahr 2000 und bei Intel, die damals viele Rechenzentren hatten, das Geschäft aber später aufgaben.“ Zeitsprung um 15 Jahre: „Es fehlt noch immer das Vertrauen. Die Anbieter müssen Vertrauen aufbauen, das ist das Wichtigste“, appellierte Dr. Horster an die Konferenzteilnehmer. Weiss wies auf die vielen verschiedenen Zielgruppen hin: Enterprise, Midsized Level, KMUs. „Denen muss man echte Beispiele zeigen können. Und dabei auf jeden Fall ehrlich sein in Bezug auf den Aufwand und die Konsequenzen, das schließt die Vorteile mit ein.“ Im Hinblick auf die Datenschutzdebatten rund um das Thema Cloud Computing verwies Thylmann auf die Situation in den USA, wo das Thema bei weitem keine so große Rolle spiele: „Die beschäftigen sich mit ganz anderen Themen als wir hier in Deutschland.“ Weiss war sich sicher, dass auch in Deutschland bald mehr Ruhe in die Debatte einkehren werde: „Die Sicherheit ist das Kerngeschäft von Cloud-Anbietern. Die werden sich per se damit beschäftigen, da sie sonst schnell untergehen.“ Bei den Teilnehmern der Paneldiskussion herrschte Einigkeit darüber, dass die Themen Security und Datenschutz vor allem in Deutschland sehr hochgehangen würden.

EuroCloud Deutschland Awards

Zum Abschluss der Konferenz wurden in feierlichem Rahmen die EuroCloud Deutschland Awards in zwei Kategorien verliehen: „Best Cloud Service provided by Start-up CSPs“ und „Best Cloud Transformation Methods“.

Nominierte_AwardsFür den ersten Award hatten die drei nominierten Start-ups gleich nach der Mittagspause ihre innovativen Lösungen im Rahmen eines Pitches dem interessierten Publikum sowie einer dreiköpfigen Jury vorgestellt. Den Anfang hatte Jan Thielscher, CEO von Ascamso, mit einem Ratingmodell für Cloud Services gemacht, das sowohl beauftragte als auch nicht beauftragte Ratings beinhalte. Die Kriterien lägen offen vor, Ergebnisse würden veröffentlicht, bei beauftragten Ratings auch die, mit denen der Kunde nicht glücklich sei. „Damit möchten wir zu mehr Transparenz beitragen“, so Thielscher. Anschließend war Oliver Thylmann, Co-Founder von Giant Swarm, an der Reihe gewesen. „Das Unternehmen ist zehn Monate alt und richtet sich an Entwickler“, hatte er berichtet. Giant Swarm biete eine Microservice-Infrastruktur mit Docker-Containern, sodass Entwickler nicht mehr über Server nachdenken müssten, sondern sich ganz auf ihre Software konzentrieren könnten. Zum Abschluss der Pitch-Runde hatte Dr. Detlef Hühnlein von der ecsec GmbH das Konzept von SkIDentity vorgestellt: Identity as a Service aus der Cloud. „Unser Ziel ist es, vertrauenswürdige Identitäten für die Cloud bereitzustellen und Prozess- und Wertschöpfungsketten sicher zu gestalten“, so Dr. Hühnlein.

Nach einigen Stunden des Hoffens und Bangens für die Nominierten wurde der Gewinner bekanntgegeben: Die ecsec GmbH darf sich mit ihrer Lösung SkIDentity über den Award in der Kategorie „Best Cloud Service provided by Start-up CSPs“ freuen und hat nun die Chance, sich in Barcelona im internationalen Umfeld zu messen – mit den Award-Gewinnern der anderen EuroCloud-Länder.

Sieger_AwardFür den Award in der Kategorie „Best Cloud Transformation Methods“ waren 7BC, FRITZ & MACZIOL und ConSol nominiert. Sieger dieses Awards ist die FRITZ & MACZIOL Software und Computervertrieb GmbH mit ihrer Lösung F&M AnyCloud „iSPRAC” Method for 360° Cloud Transformation. „Das Konzept war stimmig und konnte in der Praxis schon mehrfach erfolgreich umgesetzt werden. Daran muss man sich messen lassen“, so die Fachjury.

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https://www.flickr.com/photos/ecoev/sets/72157652748508025