„Die Herausforderung wird sein, die User Experience zu steigern.“

„Die Herausforderung wird sein, die User Experience zu steigern.“

 
Interview mit Helmut Jung, Dimetis GmbH
 

Großereignisse ins Netz zu übertragen, damit hat die Dimetis GmbH reichlich Erfahrung – zuletzt bei der Fußball-Europameisterschaft und der Tour de France. Welche Voraussetzungen es für Broadcast Services im Internet gibt und wo die technischen Hürden liegen, darüber haben wir mit Helmut Jung, Director Channel Management bei Dimetis, gesprochen.
 

Herr Jung, wie haben die Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft und der Tour de France ins Netz geklappt?

Wir können sehr zufrieden auf diese Großevents zurückschauen. Unsere Kunden haben in gewohnter Weise unsere Dienste im Bereich Programmzuführung und für die Programmverteilung bauen können. Sie haben im Rahmen dieser Veranstaltungen eine erweiterte Betriebsunterstützung abgerufen. Das ist bei solch weltweit beachteten Events Normalbetrieb, um auch für alle nicht vorhersehbaren Störungen direkten Zugriff auf schnellste Problemlösungen zu haben.

Der Ernstfall ist aber nicht eingetroffen. Die Live-Eindrücke sind in gewohnter Weise störungsfrei auf den Endgeräten von über einer Milliarde Menschen weltweit angekommen. Stolz kann ich sagen, dass unser Team einen großartigen Job abgeliefert hat.
 

Wie schnell wird sich Ihrer Meinung nach der überwiegende Teil des TV-Angebots ins Netz als Transportmedium verlagern?

Dies ist immer eine nationale und regionale Fragestellung im Zusammenhang mit existierenden Infrastrukturen und technologischem Fortschritt. Letztlich ist noch die Frage, wie diese Art von Diensten dem Endkunden kommerziell von den Service Providern und Programmanbietern angeboten werden kann. Tatsache ist, dass Abrufdienste, wie Video on Demand (VoD) per Over The Top (OTT), heute schon eine breite Zustimmung erfahren und technisch weit verbreitet sind – und das mit zunehmender Beliebtheit.

Technisch gesprochen sind dies immer Unicast-Zugriffe: Jeder Stream ist einzeln für genau einen Abruf über die Infrastruktur bereitgestellt. Broadcast-Dienste im öffentlichen Internet können heute aber auch nur über Unicast-Zugriffe verteilt werden, um ein Fluten des Netzwerkes zu verhindern. Das heißt, ein Live-Stream, der von vielen Menschen gleichzeitig abgerufen wird, ist im Verbreitungsnetz auch immer so oft vorhanden, wie es Abrufe gibt. Das ist eine erhebliche Bandbreiten-Generierung und bringt jedes Netz an seine Leistungsfähigkeit.

In einem IPTV-Netz, das ist ein separiertes nicht öffentliches Netz, ist dies technisch gelöst. Es werden Multicast-Zugriffe für Broadcast Services erlaubt und somit wird ein Live-Stream mit seiner benötigten Bandbreite bereitgestellt. Die Nutzer können dieser Multicast Session beliebig oft beitreten. Diese Technologie trifft auf Festnetzdienste und auch Mobildienste zu, da die Kerntechnologie auf denselben Protokollen beruht.

Unter Nutzung der bestehenden Technik muss die Infrastruktur sehr stark ausgebaut werden und wird wahrscheinlich doch immer nur dem Bedarf hinterhergebaut werden können. Neue bandbreitenfressende Dienste und Formate wie UHD/4K und auch schon Super Hi-Vision/8k sind bereits Wirklichkeit beziehungsweise stehen in den Startlöchern. Diese Formate werden von den Service Providern per VoD eingeführt und auch genutzt werden. In der Folge werden Carrier ihre Quality of Service (QoS) halten beziehungsweise steigern müssen.

Ein Großereignis über öffentliche IP-Netze wird in naher Zukunft traditionelle Rundfunknetze nicht ablösen können, aber durch Ergänzungsdienste wie Second Screen sehr bereichern. Die Wahrheit ist natürlich, dass Live-Streams mit geringeren Zugriffen heute schon gängige Praxis im öffentlichen Internet sind.
 

Welche Herausforderungen sehen Sie da für Service Provider, Operator und Carrier?

Die Herausforderung für alle genannten Marktteilnehmer wird sein, die User Experience zu steigern. Wer dieser Anforderung nicht Folge leisten kann, verliert seinen Kunden an den Mitbewerber, der genau dies ermöglicht. Aus der Zeit der Monopole ist durch Deregulierung und technischer Innovation eine Vielzahl von Alternativen im multimedialen und Telekommunikationsumfeld gewachsen. So bieten klassische Netzbetreiber heute alle Dienste wie Telefonie, Television, Breitband-Datendienste und teilweise auch Mobildienste aus einer Hand an. Jeder ist Mitbewerber.

Der Anbieter mit dem individuellsten und kosteneffektivsten Gesamtpaket gewinnt den Kunden. Auf Dauer kann es sich kein Unternehmen leisten, auf seinem heutigen Stand stehen zu bleiben,
wenn es wachsen oder eine Zukunft haben will.
 

Wie wichtig ist Ihrer Ansicht nach der Breitbandausbau in Deutschland – auch im Hinblick auf die Nutzer?

Diese Thematik klingt nach Henne-Ei-Problem: Wer trägt das Risiko einer Fehlinvestition? Verbraucher müssen zunächst ihren Nutzen und dessen Wert klar erkennen können. Ist das gegeben, werden sie eine Dienstleistung oder Investition bereitwillig durchführen. Demgegenüber stehen die Dienstleistungs- und Infrastrukturanbieter und warten, bis eine kritische Kundenmasse überschritten ist, bevor ein Ausbau stattfindet. Aus der Rundfunkwelt gibt es dafür zahlreiche Beispiele wie PAL Plus, MHP oder DAB. Müssen erst Endgeräte in ausreichender Stückzahl vorhanden sein, bevor ein neues Format ausgestrahlt wird, oder hilft das Ausstrahlen des neuen Formats dabei, schneller mehr Endgeräte zu den Kunden zu bekommen?

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass der Breitbandausbau auch eine Innovationswelle auslöst. Dies spiegelt sich im Geschäfts- und Privatbereich wieder. Es wird neue Anwendungen geben, die es vorher noch nicht gab, da es an der technischen Infrastruktur oder an zu hohen Nutzungskosten gescheitert ist. Beispiel ist Internet of Things (IoT), das ein Kreativpotenzial verspricht, das wir uns heute im Einzelnen noch nicht vorstellen können. Welcher Visionär hätte denn zu Telekom-Monopolzeiten schon eine Anwendung wie Skype vorhergesagt?

Gerne zitiere ich an dieser Stelle Steve Jobs: „Innovation macht den Unterschied zwischen einem Anführer und einem Anhänger aus“! Mit dieser Philosophie hat er uns eine neue Interpretation des Telefons und des Tablets gegeben. Dies ist auch die Dimetis Philosophie. Wir möchten unseren Kunden eine außerordentliche Erfahrung durch unsere Leidenschaft im professionellen Video-Transport bieten.