21.10.2022

Nachbericht: Digitale Ökosystem-Entwicklung im Rheinischen Revier

Der Braunkohle-Tagebau zur Stromerzeugung prägte viele Jahrzehnte das Rheinische Revier. Mit der Energiewende steht die Region vor einem wirtschaftlichen Strukturwandel. Doch wie lässt sich das Revier in ein „Innovation Valley Rheinland“ transformieren? Darüber diskutierten vor Ort in Bedburg rund 70 Expertinnen und Experten der Digitalwirtschaft.

Das „Schloss Bedburg“ ist eine gotische Wasserburg aus dem 12. Jahrhundert, idyllisch gelegen in einem Schlosspark. Eine schönere Kulisse konnten sich die Digitalexpertinnen und -Experten aus ganz Deutschland nicht wünschen, um über die Zukunft der digitalen Infrastrukturen der Region zu sprechen. Begrüßt wurden sie im Rittersaal am 20. Oktober 2022 von Susanne Kayser-Dobiey, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Rhein-Erft und von Torsten Stamm von der Stadt Bedburg.

Moderiert von Dr. Béla Waldhauser, Leiter der eco Kompetenzgruppe Data Center Infrastruktur, diskutierten sie einen Nachmittag lang, wie digitale Infrastrukturen vor Ort entstehen und den Strukturwandel vorantreiben könnten. Autonomes Fahren, das Internet der Dinge, die zunehmende Nutzung von Cloud-Anwendungen, künstliche Intelligenz und Blockchain sowie die Entwicklungen der Industrie 4.0 brauchen hochverfügbare und schnelle Internetanbindungen vor Ort. „Wir müssen Daten dort verarbeiten, wo sie entstehen“, sagte Andreas Weiss, Leiter Digitale Geschäftsmodelle im eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. in seinem Eingangsstatement. „Nur so können wir datenbasiert bessere Entscheidungen treffen und die Wertschöpfung in der eigenen Region halten.“

Das Rheinische-Revier erfüllt alle Voraussetzungen

Nachbericht: Digitale Ökosystem-Entwicklung im Rheinischen Revier

Bis zu 60 Millionen Nutzer im Radius von 250 Kilometern im und um das Rheinische Revier fragen bereits heute verstärkt Dateninfrastrukturen nach. Um diese zukünftig aus der Region heraus versorgen zu können, muss die Ansiedlung moderner digitaler Infrastrukturen strategisch vorangetrieben werden. Das Rheinische-Revier bietet dafür hervorragende Voraussetzungen, sagte Gerd J. Simon, Independent Managing Consultant: „Sie haben alles hier, um die Party zu sich zu holen: Strom, Flächen, die Fachkräfte und die perfekte Lage zwischen den beiden großen Internetknoten in Amsterdam und Frankfurt a. M., sie müssen nur die Gäste einladen.“

Dr. Sabine Tabrizi von Digital Realty, einem der größten Betreiber von Rechenzentren weltweit, berichtete von der ständigen Suche nach neuen Standorten, da in Frankfurt a. M. die Ressourcen für weitere Ansiedlungen beinahe erschöpft sind. Das bestätigte Michel Düring von der DC Data Center Group. „Das Rheinischen-Revier hat eine hohe Attraktivität als Standort für digitale Infrastrukturen.“

Rechenzentrums-Abwärme sinnvoll nutzen

Die Menschen vor Ort würden profitieren, beispielsweise könnte die in Rechenzentren entstehenden Abwärme produktiv genutzt werden – etwa in der Landwirtschaft oder Fischzucht oder zum Heizen von Büros, Wohnungen oder Schwimmbädern. „Was als Strom in ein Rechenzentrum hineingeht, wird zu Wärme, die wir theoretisch nutzen können“, sagte Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut. Auch wenn der Strombedarf der Rechenzentren schnell wachse, böte die Energiewende doch große Chancen. Hintemann nannte das Vorbild Schweden: „In Stockholm sind die Wärmenetze an Rechenzentren angeschlossen.“

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„Dieses Potenzial der Rechenzentrenbranche verpufft in der Luft, obwohl die Abwärme aus Rechenzentren eine kostbare Alternative zu fossilen Energieträgern darstellen kann“, sagte Dr. Béla Waldhauser, Sprecher der unter dem Dach des eco Verbands gegründeten Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen ergänzt: „Wenn die Politik hier zeitnah die richtigen Rahmenbedingungen schafft, kann die Abwärmenutzung von Rechenzentren in den kommenden Jahren zu den Toplösungen zählen, um Energiekosten und CO2 zu sparen.“

Busfahrt zum landwirtschaftlichen Betrieb zeigte Potenziale

Nach einer regen Diskussion gaben die Organisatoren gleich ein Beispiel, wie die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren gelingen kann. Mit dem Bus fuhren die Teilnehmer:innen zum Bergerhof in Bergheim und sprachen mit den Betreibern Birgit und Michael Bong. Die nutzten jahrelang die Abwärme des in direkter Nachbarschaft gelegenen Kraftwerks Niederaußem für den Anbau von Tomaten und anderem Gemüse. In der Diskussion wurde schnell deutlich: Die in Rechenzentren entstehende Wärme wäre optimal geeignet, um den Ertrag von Bauer Bong um bis zu 60 Prozent zu steigern. „Wir brauchen nur ein T-Stück, dann können wir direkt loslegen und die Wärme nutzen“, sagte Herr Bong. Und natürlich braucht es noch das dazugehörige Rechenzentrum, das in der Nachbarschaft hoffentlich bald entstehen könnte.

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