Lange Zeit galten RSA und elliptische Kurven als die unerschütterlichen Pfeiler moderner IT-Sicherheit. Doch die Spielregeln ändern sich: Mit der rasanten Entwicklung von Quantencomputern rückt ein Szenario in greifbare Nähe, das selbst die härtesten Verschlüsselungen obsolet machen könnte.
Noch ist kein Quantencomputer in der Lage, RSA- oder ECC-basierte Systeme in praxistauglicher Zeit zu brechen. Aber das Risiko des sogenannten „Harvest now, decrypt later“ ist real: Daten, die heute verschlüsselt gespeichert oder übertragen werden, könnten in Zukunft entschlüsselt werden, sobald ausreichend leistungsfähige Quantencomputer zur Verfügung stehen.
Der Wendepunkt in der Kryptographie
Für Unternehmen bedeutet das: Der Countdown läuft. Wer sensible Daten langfristig schützen will, muss jetzt beginnen, seine Sicherheitsarchitektur „quantensicher“ zu gestalten.In der Fachwelt haben sich inwischen zwei zentrale Strategien herausgebildet, um Kommunikation gegen Quantenangriffe abzusichern. Die eine ist die Post-Quanten-Kryptographie (PQC), die auf klassischen, mathematisch neuartigen Verfahren basiert, die auch mit Quantencomputern nicht effizient lösbar sind. Die andere ist die Quantenkryptographie im engeren Sinn, bei der physikalische Effekte genutzt werden, um Abhörversuche messbar zu machen.
Beide Wege verfolgen dasselbe Ziel, doch mit unterschiedlicher Logik. PQC kann weitgehend auf bestehende IT-Infrastrukturen aufgesetzt werden und benötigt meist nur Software-Updates. Quantenkryptographie dagegen erfordert spezielle Hardware wie Photonenquellen oder Detektoren und funktioniert häufig über Glasfaser- oder Satellitenverbindungen. Dafür bietet sie ein Sicherheitsniveau, das auf den fundamentalen Gesetzen der Physik beruht – Abhören wird schlicht erkennbar.
Die Zukunft wird wahrscheinlich in einer Verbindung beider Ansätze liegen: in hybriden Systemen, die PQC-Algorithmen mit quantensicherem Schlüsselaustausch kombinieren und so ein mehrschichtiges Sicherheitsmodell schaffen.
Mit der Veröffentlichung der ersten Post-Quanten-Standards durch das US-amerikanische National Institute of Standards and Technology (NIST) im Sommer 2024 ist die Ära der quantensicheren Kryptographie offiziell eingeläutet worden. Erstmals liegen verbindliche Verfahren vor, die international als neue Grundlage für sichere Kommunikation dienen sollen. Diese Entscheidung wirkt weit über den Forschungsbereich hinaus: Sie markiert den Beginn eines globalen Umstiegs auf neue Kryptosysteme. Große Technologieanbieter wie Google, Microsoft und Amazon haben bereits damit begonnen, ihre Sicherheitsprotokolle auf diese neuen Standards auszurichten. Selbst alltägliche Anwendungen wie Webbrowser oder Messaging-Dienste testen inzwischen Verbindungen, die gegen Quantenangriffe gehärtet sind.
Von der Forschung in die Praxis
Für Europa und insbesondere Deutschland bedeutet dies: Die Grundlagen sind gelegt, nun muss die Umsetzung folgen. Wenn Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zu lange zögern, riskieren sie, von internationalen Entwicklungen abgehängt zu werden. Wer die neuen Standards früh integriert, sichert nicht nur die eigene Kommunikation, sondern auch technologische Souveränität im digitalen Raum.
Deutschland verfügt über hervorragende Voraussetzungen, um bei der sicheren Kommunikation der Zukunft eine führende Rolle einzunehmen. Forschungseinrichtungen, Hightech-Unternehmen und staatliche Akteure arbeiten bereits an Projekten, die quantensichere Netzwerke, neue Verschlüsselungsverfahren und interoperable Infrastrukturen erproben. Entscheidend ist nun, diese Ansätze schneller in die Breite zu bringen – von Pilotversuchen in Laboren hin zu einsatzfähigen Lösungen in Verwaltung, Industrie und Cloud-Infrastrukturen. Das erfordert koordinierte Maßnahmen auf mehreren Ebenen: klare Verantwortlichkeiten, verbindliche Zeitpläne für den Umstieg auf Post-Quanten-Standards, und Anreize für Unternehmen, in quantensichere Technologien zu investieren.
Besonders wichtig ist die Verknüpfung von Forschung, Regulierung und Anwendung. Wenn staatliche Behörden, Standardisierungsgremien und die Wirtschaft gemeinsam agieren, kann Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa übernehmen. Dazu gehört auch, bestehende IT-Systeme frühzeitig auf ihre Quantum-Readiness zu prüfen: Welche Systeme müssen modernisiert, welche Schlüsselmanagement-Prozesse angepasst, welche Kommunikationsschnittstellen gehärtet werden? Mit gezielter Förderung, internationaler Kooperation und entschlossenem Handeln kann Deutschland nicht nur aufholen, sondern den Wandel aktiv gestalten und Standards mitprägen, statt sie zu übernehmen. Der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt.
Dieser Wandel lässt sich gut als „From Lab to Fab“ paraphrasieren, quasi als Weg von der Forschung in die industrielle Realität. Noch sind Quantenkommunikation und Quantenhardware teuer und komplex, die Nutzung von Quantenressourcen kann mehrere Tausend Euro pro Stunde kosten. Doch die Technologie entwickelt sich rasant. Neue Ansätze wie Continuous-Variable-QKD oder hybride Cloud-Modelle senken die Einstiegshürden, und erste Reallabore zeigen, dass sich Quantenkanäle mit klassischer Infrastruktur kombinieren lassen.
In Deutschland testen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereits quantensichere Netzwerke. Die Deutsche Telekom oder verschiedene Fraunhofer-Institute gehören zu den Vorreitern. Auch international ist der Wettlauf eröffnet: In Asien und Nordamerika entstehen Quanten-Backbones, die langfristig das Rückgrat sicherer Kommunikation bilden könnten.
Für IT-Entscheider ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung, aber eben auch eine große Chance. Der Schutz vor Quantenangriffen erfordert zunächst ein genaues Verständnis der eigenen Kryptolandschaft. Welche Systeme nutzen klassische Public-Key-Verfahren, wo werden Zertifikate, VPNs oder verschlüsselte E-Mails eingesetzt, und wie lange müssen Daten vertraulich bleiben?
Wettbewerbsvorteile sichern, Gefahren abwenden
Auf dieser Basis können Unternehmen schrittweise migrieren: zunächst mit hybriden Verfahren, die klassische und quantensichere Komponenten kombinieren, anschließend mit der vollständigen Implementierung neuer Standards. Parallel dazu gilt es, Mitarbeiter und Management für die Risiken und Chancen der Quantentechnologie zu sensibilisieren. Langfristig werden Organisationen, die heute in Forschungspartnerschaften investieren und Pilotprojekte starten, nicht nur ihre Daten sichern, sondern sich auch Wettbewerbsvorteile sichern. Quanten-Readiness ist keine technische Option mehr – sie wird zum Bestandteil verantwortungsvoller Unternehmensführung.
In den kommenden Jahren wird sich die Vision eines globalen „Quantum Internet“ zunehmend konkretisieren – eines Netzes, das Quanteninformationen über weite Distanzen übertragen und Abhörsicherheit physikalisch garantieren kann. Fortschritte bei Quanten-Repeatern, satellitengestützter QKD und fehlerkorrigierten Quantennetzen lassen diese Perspektive realistischer erscheinen als noch vor wenigen Jahren.
Parallel entstehen hybride Sicherheitsarchitekturen, in denen klassische Cloud-Systeme und quantenbasierte Kommunikationskanäle koexistieren. Auch die Verbindung mit Künstlicher Intelligenz spielt eine immer wichtigere Rolle – etwa bei der automatisierten Erkennung von Anomalien oder bei der Schlüsselverwaltung in Quantenumgebungen.
Quantenkryptographie ist lange keine Zukunftsmusik mehr. Sie steht für den nächsten logischen Schritt in der Evolution der IT-Sicherheit. Die Bedrohung durch Quantencomputer ist real, die Standards existieren, die Technologien sind einsatzbereit. Entscheidend ist, dass Unternehmen und Institutionen jetzt beginnen, ihre Kommunikationsinfrastruktur auf die kommenden Anforderungen auszurichten. Wer zu lange wartet, riskiert, auf unsicheren Fundamenten zu stehen, sobald die Technologie marktreif wird. Wer dagegen heute handelt, sichert nicht nur seine Daten – sondern seine Zukunftsfähigkeit.
Und genau deshalb lädt eco zum Webinar „Quantenkryptographie: Die Zukunft der sicheren Kommunikation“ ein. Hier werden aktuelle Projekte vorgestellt, Best Practices präsentiert und Strategien diskutiert, wie Unternehmen ihre Kommunikationssysteme nachhaltig und zukunftssicher gestalten können.
Weitere Informationen und Anmeldung:
www.eco.de/event/quantenkryptographie-die-zukunft-der-sicheren-kommunikation/
