07.02.2019

Smarte Assistenzsysteme mindern Pflegenotstand

  • 89 Prozent der älteren Menschen aufgeschlossen für Smart Care und technische Assistenz-Systeme1
  • Politik, Pflegekassen sowie Pflege- und Wohnungswirtschaft bisher bei digitalen Assistenzsystemen noch zu zurückhaltend
  • eco Verband unterstützt Smart Service Power für mehr Autonomie im Alter

Smart-Care-Lösungen können ein längeres Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen und den Pflegenotstand mildern. 89 Prozent der Senioren sind sehr aufgeschlossen hinsichtlich digitaler Assistenzlösungen, die mehr Autonomie im Alter ermöglichen, zeigt eine aktuelle Studie1. Daher fordert der eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. Wirtschaft und Politik dazu auf, entsprechende Lösungen stärker zu fördern. „Wir müssen digitale Assistenzsysteme für Senioren endlich aus der Laborecke herausholen. Hier sind Politik und Pflegekassen gefragt, solche Lösungen im Rahmen der sozialen Teilhabe für die Senioren zu bezahlen,“ fordert Dr. Bettina Horster, Direktorin IoT im Internetverband eco. Sie ist Projektleiterin von Smart Service Power und Vorstand der VIVAI Software AG. Insbesondere der Wohnungswirtschaft kommt dabei eine Schlüsselrolle zu hinsichtlich des Neubaus und barrierearmen Ausbaus von Bestandsimmobilien mit smarten Lösungen für das altersgerechte Wohnen.

Mit dem EU-Förderprojekt Smart Service Power (SSP), das der eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. als Projektpartner begleitet, steht bereits eine geeignete Plattform für Elderly Care und Notruf 4.0 zur Verfügung. Die lässt sich um E-Health- und Smart Home sowie Conciergedienste erweitern. Doch deutsche Senioren profitieren bisher kaum von digitalen Assistenzsystemen, die ihnen die Möglichkeit eröffnen, länger zu Hause wohnen zu bleiben, viele können es sich nicht leisten. Investoren fordert der eco Verband deshalb auf, das Potenzial zu nutzen und in die flächendeckende Einführung von Assistenzsystemen für Wohn- oder Pflege-Umgebungen einzusteigen.

Wachstumsraten über 50 Prozent prognostiziert

„Diese Subventionen würden nicht nur mehr Lebensqualität für die Betroffenen schaffen, sie rentieren sich laut Horster auch für Pflegekassen und Kommunen, denn 75 Prozent aller Heimbewohner werden durch das Sozialamt unterstützt. Die Statistik der Deutschen Rentenversicherung zeigt eine Durchschnittsnettorente von 727 Euro2, viele Ältere können sich also solche Systeme mit monatlichen Kosten von 120 bis 200 Euro ohne Hilfe nicht leisten.

Experten prognostizieren für Smart-Home-Systeme im Segment Gesundheit und betreutes Wohnen in Deutschland ein enormes Wachstum – von 40 Millionen Euro 2017 bis rund 400 Millionen Euro 2022. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 57,8 Prozent.3 „Gerade angesichts massiver Investitionen der Wohnungswirtschaft in Energiemanagement und Gebäudeautomatisierung in den kommenden Jahren sollten Smart-Care-Konzepte bei Modernisierungen und Neubau bereits mitgedacht werden“, fordert Horster.

Senioren wünschen sich mehr Smart-Care-Systeme 

Ältere Menschen sind an entsprechenden Lösungen für autonomes Wohnen sehr interessiert, belegen Umfragen des Instituts für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) der FH Dortmund. Rund drei von vier (73 Prozent) der befragten Senioren wären dazu bereit, ihre Wohnung für ihre Pflegebedürfnisse umgestalten zu lassen, etwa über die Integration einer automatischen Sturzerkennung. Die oft als Hemmnis angeführte fehlende Technik-Affinität und Digitalkompetenz bei Seniorinnen und Senioren wurde hingegen nicht bestätigt. Vielmehr gaben 89 Prozent an, sich vorstellen zu können, bei Pflegebedürftigkeit zusätzliche technische Unterstützung zu erhalten. „Es ist einfach falsch, dass ältere Menschen nicht mit Technik umgehen können – sie werden deutlich unterschätzt“, sagt Dr. Bettina Horster.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass bei älteren Menschen Assistenzsysteme für Wohn- oder Pflege-Umgebungen auf Basis von Serviceplattformen wie Smart Service Power stark nachgefragt sind. Auf der Plattform lassen sich heute bereits Sturzerkennung, Abweichungen in Ernährungs- und Aktivitätsverhalten sowie Erinnerungen an die Medikamenteneinnahme, auch im Sinne der Prävention und sozialen Teilhabe, barrierefrei und sicher vor unberechtigten Zugriffen realisieren. Dem vom eco Verband unterstützten Anbieterkonsortium gehören Unternehmen und Einrichtungen an, die das Feld für eine Digitalisierung der Pflege vorbereiten, auf der tragfähige Geschäftsmodelle aufsetzen.

Quellen:
1 Bleja, Jelena; Uwe Großmann: Umfrageergebnisse zur Nutzung und Akzeptanz von assistierenden Techniken im Alter, März – Mai 2018; sowie dies.: Umfrageergebnisse zu Wohnen im Alter und Techniknutzung, Mai 2018. Für die beiden Studien im Auftrag des Instituts für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) wurden im Rahmen mehrerer Veranstaltungen in Dortmund (Seniorentag, „nordwärts“, „DortBunt“) 565 Personen nach deren Bereitschaft für Technik-Unterstützung im Alter befragt.

2 Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zahlen 2018, S. 53, Verteilung und durchschnittliche Rentenzahlbeträge der laufenden Renten, ohne Knappschaftsausgleichsleistungen, Nullrenten, reine Kindererziehungsleistungen und ohne Renten nach Art. 2 RÜG.

3 Der deutsche Smart-Home-Markt 2017–2022. Zahlen und Fakten. eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. und Arthur D. Little, 2017.

Weitere Informationen zum Thema Internet of Things sind hier erhältlich.

Smart Service Power: A Case Study on Building a Successful IoT Aged Care Service