27.08.2025

Energie für den digitalen Strukturwandel: Emil Issagholian (Rheinenergie) im Gespräch

Mit der KI-Wende und dem Strukturwandel entwickelt sich das Rheinische Revier zu einer Digitalregion im Herzen Europas. Hyperscale-Projekte und neue Digitalpark-Flächen markieren den Aufbruch, den Teilnehmende beim eco-Event Strukturwandel & Digitale Transformation in drei Perspektiven am 12. September 2025 in Bergheim unter anderem auf einer Bustour hautnah erleben können. Welche Rolle die Energieinfrastruktur dabei spielt, weiß Emil Issagholian. Er ist Leiter Geschäftsbereich Energiedienstleistungen und Fernwärme bei RheinEnergie und beschreibt, wie der Energiedienstleister die Entwicklungen vor Ort miterlebt und -gestaltet.

 

Welche Bedeutung haben regionale Stärken und lokale Verwurzelung, wenn es um die Entwicklung moderner Energieversorgung geht? Und in welchem Zusammenhang stehen diese Qualitäten mit dem deutschlandweiten Wirken von Rheinenergie?

Unsere Wurzeln liegen seit über 150 Jahren in Köln und im Rheinland. Dort sind wir als zuverlässiger Partner von Kommunen, Stadtwerken und Unternehmen fest verankert. Auf dieser regionalen Stärke baut unser bundesweites Engagement auf: Mit der Marke der RheinEnergie – next energy solutions und unserer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der AGO GmbH in Kulmbach realisieren wir nachhaltige Energielösungen in ganz Deutschland.

Über 600 Projekte bundesweit zeigen: Lokale Verwurzelung und nationale Innovationskraft sind kein Widerspruch, sondern unser Erfolgsmodell für die energetische Transformation. Insbesondere im Bereich Rechenzentren sind unsere Energielösungen von großer Notwendigkeit, um diese überhaupt umzusetzen.

Wie lässt sich die Stromversorgung in einer Region wie dem Rheinischen Revier so planen, dass sie sowohl den aktuellen Bedarf als auch die Anforderungen großer, schnell wachsender Kunden wie Hyperscaler zuverlässig abdeckt?

Die Stromnachfrage von Rechenzentren – insbesondere durch Hyperscaler – wächst rasant und häufig deutlich schneller als der Netzausbau Schritt halten kann. In Deutschland kann ein regulärer Netzanschluss schnell mal 15 Jahre dauern. Diese Zeit haben viele Rechenzentrenprojekte nicht.

Unsere Antwort auf fehlenden Netzanschluss: Onsite-Generation. Dabei handelt es sich um lokal erzeugte Energie direkt auf dem Gelände des Rechenzentrums, etwa durch Blockheizkraftwerke oder Brennstoffzellen. Diese dezentralen Anlagen entlasten das öffentliche Netz, ermöglichen eine schnelle Versorgungssicherheit und bieten gleichzeitig hohe Effizienz.

Als Contractor übernehmen wir Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb solcher Lösungen – inklusive der Integration in bestehende Systeme. Das macht Rechenzentrumsprojekte in Regionen mit begrenzter Netzkapazität überhaupt erst realisierbar – und zwar in der Geschwindigkeit, die der Markt fordert. Für das Rheinische Revier kann eine Unterstützung durch Onsite-Generation somit kritisch sein, um sich als kompetitiver Standort für Rechenzentren zu behaupten.

Kühlung und Abwärmenutzung sind zentrale Themen in der Rechenzentrumsinfrastruktur. Welche innovativen Ansätze sehen Sie hier? Und wie spielen Nachhaltigkeitsziele dabei hinein?

Rechenzentren erzeugen enorme Mengen nutzbarer Abwärme – einzelne Standorte können theoretisch ganze Städte für ein Jahr mit Wärme versorgen und damit eine zentrale Rolle für die Wärmewende spielen.

Das Energieeffizienzgesetz schreibt je nach Jahr der Inbetriebnahme des Rechenzentrums vor, 10-20 Prozent der Abwärme zu nutzen. RheinEnergie erstellt hierzu die passenden Machbarkeitsstudien und unterstützt direkt die technische Umsetzung.

Gleichzeitig setzen wir auf die intelligente Nutzung der entstehenden Abwärme zur Eigenkühlung – etwa durch Absorptionskältemaschinen, die den Stromverbrauch für Kälte deutlich senken und damit den PUE-Wert („Power Usage Effectiveness“) des Rechenzentrums verbessern. So wird aus einem Nebenprodukt ein echter Effizienztreiber.

Digitale Infrastrukturprojekte können weit über die Technologie hinauswirken. Welche Effekte erwarten Sie auf Arbeitsmarkt, regionale Entwicklung und überregionale Zusammenarbeit?

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier ist eine der größten regionalen Transformationsaufgaben Deutschlands. Mit dem Kohleausstieg bis 2030 braucht es neue wirtschaftliche Impulse. Rechenzentren können hier eine Schlüsselrolle spielen – immerhin bietet das Revier sehr gute Standortbedingungen, was beispielsweise die Konnektivität oder die Dichte an Arbeitskräften betrifft

Gleichzeitig sind Rechenzentren keine reinen Stromverbraucher, sondern können als Energie-Hubs agieren: Sie erzeugen nutzbare Abwärme, sind Innovationstreiber und bieten Anknüpfungspunkte für weitere Industrien. Beispielsweise können sich energieintensive, wärmenutzende Unternehmen wie Vertical-Farming-Betriebe gezielt in der Nähe ansiedeln – mit kurzen Wegen, hoher Versorgungssicherheit und niedrigeren Energiekosten. So entstehen neue Cluster, die regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze und nachhaltige Infrastruktur verbinden. Entscheidend ist hier die Rolle der Standortpolitik, die die Ansiedlung entsprechend fördert.

Welche Best Practices aus bisherigen Projekten – ob in Rechenzentren, Energieversorgung oder Quartierslösungen – lassen sich auf neue Digitalstandorte übertragen, und welche wichtigen Learnings haben Sie daraus gezogen?

Ein gutes Beispiel ist unser aktuelles Großprojekt im neuen Stadtquartier Rondorf Nord-West in Köln. Hier realisieren wir ein kaltes Nahwärmenetz auf Basis von Grundwasser und Wärmepumpentechnologie. Das System nutzt das ganzjährig zwölf Grad warme Grundwasser aus dem Wasserwerk Hochkirchen als konstante Wärmequelle für hocheffiziente Wärmepumpen in den einzelnen Gebäuden. Diese Erfahrungen lassen sich direkt auf Rechenzentren übertragen, etwa durch die Einbindung in lokale Wärmenetze oder die Nutzung von Abwärme für angrenzende Quartiere. Durch Rechenzentren können so ganze Quartiere oder Industriebetriebe mit Wärme versorgt werden.

Unser Fazit: Rechenzentren können weit mehr sein als digitale Infrastruktur – sie können Treiber der Energiewende werden. Entscheidend ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Energie, Wärme, Standortpolitik und Technologie von Beginn an zusammendenkt.

 

1