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06.01.2022

5 Fragen an Leonard Dorlöchter, peaq Technology GmbH

Wie lässt sich das Potenzial der Blockchain für die Wirtschaft nutzbar machen, beispielsweise als unabhängiges Lade-Ökosystem für Elektroautos? Darüber berichtet Leonard Dorlöchter, Chief Product Officer und Co-Founder von peaq im Interview.

Herr Dorlöschter, würden Sie peaq Technology kurz vorstellen?

peaq ist ein 2017 gegründetes Blockchain-Start-up mit Sitz in Berlin. peaq arbeitet daran, das Internet der Dinge in die Ökonomie der Dinge zu wandeln. Mit dem Web3 peaq-Netzwerk wird eine souveräne und faire digitale Infrastruktur geschaffen, auf welcher Maschinen, Fahrzeuge, Roboter und Geräte ohne zentrale Zwischenhändler Handel betreiben können. Desweiteren ermöglicht das peaq-Netzwerk ökonomische Mechanismen, um Personen sowie Unternehmen an der Wertschöpfung der Maschinenwirtschaft zu beteiligen.

Welche Themen der Digitalisierung sind Ihnen besonders wichtig?

Wir sind der festen Überzeugung, dass es an der Zeit ist, unsere ursprüngliche Vision zu verwirklichen, wie wir unsere Maschinen, die Technologie und das Internet für einen positiven gesellschaftlichen Wandel nutzen können. Das sogenannte Web3, auch Web 3.0, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und bringt den Grundgedanken des Internet zurück zu den Menschen – eine freie digitale Welt, in der Menschen mit anderen Menschen operieren und agieren, Informationen und Werte teilen, ohne dass eine dritte Instanz beteiligt ist und große Technologiekonzerne über die Datenhoheit verfügen. Also ein Internet zu den Bedingungen des Individuums. Datensouveränität und Dezentralisierung sind daher für uns sehr wichtige Themen, an denen wir aktiv mitarbeiten und Lösungen anbieten.

Wir engagieren uns beispielsweise im Rahmen des von der EU geförderten GAIA-X MoveID-Konsortiums und wirken am europäischen Vorstoß der Elektromobilität mit. Der Fokus liegt insbesondere auf der Etablierung eines SSI- (SSI=Self-Sovereign Identity) und Data-Sharing-Standards auf Basis von Distributed Ledger Technologien für die gesamte Automobil- und Mobilitätsindustrie, um Zusammenarbeit, Interaktion und Handel barrierefrei zu ermöglichen und gleichzeitig den Nutzern die volle Kontrolle über ihre Daten zu ermöglichen.

Eines unserer größten Projekte in diesem Bereich ist eine Lösung für das dezentrale Laden von Elektrofahrzeugen, deren Entwicklung wir gemeinsam mit einer deutschen Automobilgruppe begonnen haben und nun fortführen. Ziel ist es, mithilfe der Blockchain ein offenes, herstellerunabhängiges Lade-Ökosystem zu schaffen, in dem jedes Fahrzeug und jede Ladesäule eine eigene SSI erhält.

Was sind momentan besondere Herausforderungen Ihrer Branche und wie arbeiten Sie daran mit? 

Unser Ziel ist es, das demokratische Potenzial der Blockchain für die (Maschinen-)Wirtschaft nutzbar zu machen. So auch in der Automobilindustrie: Eine der größten Hürden der Elektromobilität ist die Fragmentierung der Ladesäuleninfrastruktur und die existierende Reichweitenangst. Für dieses Problem hat die Blockchain-Technologie und das dezentrale Laden die Lösung: Wenn Autos und Ladesäulen direkt und ohne Zwischenhändler miteinander kommunizieren und abrechnen können, vereinfacht das nicht nur den Lade- und Bezahlprozess für den Endverbraucher, sondern schafft auch die ideale Umgebung für eine herstellerübergreifende, konstruktive Zusammenarbeit von Erstausrüstern/OEMs und Ladesäulen-Providern: eine neutrale und einheitliche Plattform, die starke Anreize schafft, mehr E-Mobilität zu nutzen, um einen gesellschaftlichen und nachhaltigen Wandel herbeizuführen. Denn eines ist sicher: dezentrales Laden wird zu einer höheren Akzeptanz von Elektroautos führen.

Ein weiteres wichtiges Feld ist der Energiesektor. Energie ist ein wichtiger Bestandteil der Economy of Things – der Wirtschaft der Dinge – und wird in Zukunft viel gehandelt werden. Hat z. B. ein Smart Home eine eigene Identität, sind auch hier Einsatzmöglichkeiten denkbar: Es könnte beispielsweise erzeugte Energie zur richtigen Zeit kaufen und verkaufen – abhängig von der Preisentwicklung. Die Zukunft des Energiemarkts wird dezentral sein: Häuser werden Strom verbrauchen und aus Solaranlagen gewonnene Energie ins Netz einspeisen. Fahrzeuge werden bidirektional laden und Strom ins Netz zurückgeben, wenn dieser benötigt wird oder übrig ist. Grundsätzlich fallen viele Mikrotransaktionen an, die sich in der Summe nicht über Banken abwickeln lassen. Dafür braucht es eine effiziente, dezentrale Transaktionsinfrastruktur.

Was erwarten Sie, wie Ihre Mitgliedschaft im eco Verband Sie dabei unterstützen kann? 

Zum Auftakt der neuen Bundesregierung samt Superministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz trifft unser Ansatz den Nerv der Zeit: Sektorkopplung, also die Verknüpfung vom erneuerbaren Energiesektor mit nachhaltigem Verkehr, wird endlich noch mehr Fahrtwind bekommen. Unser Netzwerkansatz wird enorm dabei helfen, Stakeholder im Bereich Elektromobilität zu stärken und die Verbreitung ihrer Mobilitätsangebote bundesweit noch mehr zu fördern.

Wir wollen gemeinsam und im Austausch mit anderen Mitgliedern des Verbandes, den eco-Kompetenzgruppen – vor allem im Bereich IoT und Mobility, GAIA-X und Blockchain –, politischen Entscheidungsträgern und Initiativen dazu beitragen, dass der Wandel hin zu einer nachhaltigeren Zukunft gelingt. Wir freuen uns sehr auf diesen Austausch mit der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Welche Chancen bietet uns die Digitalisierung in der Zukunft? 

Wir befinden uns an einem Wendepunkt der Digitalisierung: In den letzten Jahrzehnten haben Funktionalität, Zugang, und Benutzerfreundlichkeit stark zugenommen – getrieben durch die großen Technologiekonzerne. Allerdings zu einem hohen Preis und zulasten von Privatsphäre, Sicherheit und Kontrolle.  Mit dem Web3 haben wir die Chance, durch Dezentralisierung den Nutzern Autonomie über ihre Daten zurückzugeben. Sie können selbst entscheiden, welche Informationen sie weitergeben, wie sie interagieren und Transaktionen durchführen und sogar Vermögenswerte im Internet besitzen – ohne Beteiligung Dritter.

Wir haben die Vision einer Zukunft, in der es eine Economy of Things gibt. Damit ist ein Ökosystem, gemeint, in dem Fahrzeuge, Maschinen, Roboter und Geräte – also auch Autos und Ladestationen – selbstständig alle Arten von Waren und Dienstleistungen bereitstellen, monetarisieren und handeln können. Sogenannte Machine NFTs lassen Personen und Unternehmen Anteil an der Economy of Things haben. Zugleich sind sie an der Wertschöpfung der Maschinen beteiligt. Dies ermöglicht neue Einkommensströme für Privatpersonen und kann  einen Ausgleich  zu den Arbeitsplätzen schaffen, die im Rahmen der Digitalisierung an der einen oder anderen Stelle redundant werden könnten.

Doch auch die hiesige Industrie wird von diesem Paradigmenwechsel profitieren: Wir sind in Deutschland sehr gut darin, Dinge, also Maschinen und Geräte zu produzieren. Hier sind wir Weltmarktführer. Und dennoch müssen wir aktuell sehr viel Wertschöpfung an die großen Hyperscaler abgeben, weil wir selbst nicht die nötige Plattformtechnologie haben. Mit dem Web3 besteht aber nun die Möglichkeit, dezentrale Marktplätze aufzubauen und mit Produkten Mehrwert zu generieren. Und genau um diesen Mehrwert geht es uns auch. Wir sehen hier eine echte Chance für die deutsche Industrie, indem der zentrale Zwischenhändler aus vielen Wertschöpfungsketten entfernt wird und die Unternehmen damit auch in Bezug auf Daten und Wertschöpfung ein Stück weit unabhängiger werden können.

Leonard Dorlöchter ist Chief Product Officer und Co-Founder von peaq. Der Wirtschaftsinformatiker hatte nach seinem Studium an der TU Berlin leitende Positionen im Produktmanagement inne, bevor er sich seiner Leidenschaft für das Unternehmertum zuwandte. Seitdem war er an der Gründung von Technologieunternehmen beteiligt und setzte 2017 gemeinsam mit seinen Co-Foundern den Start für peaq.

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