22.09.2021

Brüsselblick

­Mit dem „Brüsselblick“ berichtet eco über aktuelle Entwicklungen und Sitzungen innerhalb der EU und gibt damit einen informativen Einblick in die Europa-Politik sowie in unser Engagement vor Ort.

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­Das Wichtigste im Überblick

STATE OF THE EUROPEAN UNION – KOMMISSIONSPRÄSIDENTIN MIT RÜCKBLICK UND AUSBLICK: Der Fokus der rund einstündigen Rede zur Lage der Europäischen Union von Kommissionspräsidentin U. von der Leyen lag in diesem Jahr nicht unbedingt auf den Digitalthemen. Zwei Schwerpunkte daraus sind jedoch hervorzustreichen: Cybersicherheit und Silizium-Chips.

Zur Cybersicherheit hat die Präsidentin darauf hingewiesen, dass der Schutz vor hybriden und Cyber-Bedrohungen einer der Schlüsselaspekte zur Erlangung digitaler Souveränität sei und die EU daher eine weltweit führende Rolle in der Cybersicherheit einnehmen sollte.

Zur Cyberverteidigung argumentierte von der Leyen, dass diese heute ein entscheidender Teil des Verteidigungsbereichs sei und die EU sich nicht damit zufriedengeben dürfe, sich nur mit diesen Bedrohungen zu befassen, sondern eine Führungsrolle einnehmen müsse. Aus diesem Grund werde die Kommission eine neue EU-Cyberverteidigungspolitik vorschlagen, einschließlich einer Gesetzgebung zu gemeinsamen Standards im Rahmen eines neuen Europäischen Gesetzes zur Cyber-Resilienz. Konkrete Details dazu blieb auch Kommissar Breton später schuldig. Außerdem wird die Kommission während der französischen Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2022 einen Europäischen Verteidigungsgipfel veranstalten.

Im kommenden Jahr will die Kommission ein Gesetz für europäische Chips präsentieren. Was es für ein solches Gesetz braucht, um Europa wieder ins Rennen um die Technologie zu bringen hat Kommissar Breton ebenso in einem Blog-Beitrag zu erläutern versucht:

  • Erstens: eine europäische Strategie für die Halbleiterforschung.
  • Zweitens: ein gemeinsamer Plan zur Steigerung der europäischen Produktionskapazität.
  • Drittens: ein Rahmen für internationale Zusammenarbeit und Partnerschaft.

Präsidentin von der Leyen stellte zudem eine neue Konnektivitätsstrategie mit dem Namen „Global Gateway“ in Aussicht. Im Rahmen dieser Strategie werde die EU Partnerschaften mit Ländern auf der ganzen Welt aufbauen und in eine hochwertige Infrastruktur investieren. Zudem plant die Kommission für 2022 auch einen Vorschlag zur Verbesserung der digitalen Kompetenzen in der EU.

In ihrer Reaktion auf die Rede betonten mehrere Europaabgeordnete die Notwendigkeit, dass die EU ihre eigenen Mittel erwirtschaftet (z.B. durch die Digitalabgabe). M. Weber (EVP, DE) betonte, dass die EU ein neues umfassendes Handelsabkommen mit den USA unterzeichnen sollte, das sich insbesondere auf Sektoren wie Mobilität, Technik und Digitaltechnik bezieht. D. Charanzová (Renew, CZ) warnte vor protektionistischen Maßnahmen, die ergriffen werden, um „souverän“ zu werden. Sie betonte, dass die EU für den Freihandel offen sein und globale Verbündete haben sollte.

PFAD ZUR DIGITALEN DEKADE – DIGITALE ZIELE 2030: Ebenfalls am Mittwoch hat die EU Kommission einen Legislativvorschlag präsentiert mit dem sie sicherstellen will, dass die Mitgliedstaaten auch die notwendigen Maßnahmen setzen, um die im März präsentierten Ziele zu erreichen (Text, Arbeitsdokument).

Die EU-Länder müssen die Kommission demnach über ihre Pläne und die Investitionen in die Technologie-Infrastruktur auf dem Laufenden halten. Diese wird wiederum einen jährlichen Bericht mit Empfehlungen erstellen. Sollte ein EU-Land der Empfehlung der Kommission nicht folgen, kann das Exekutivorgan „einen gezielten Dialog einleiten“.

Das Programm wird auch neue Investitionsprojekte schaffen, um mindestens drei EU-Länder, die Kommission und Unternehmen zusammenzubringen, um „Marktversagen oder suboptimale Investitionssituationen zu beheben“.

LEGISLATIVVORHABEN 2022 – EU KOMMISSION: Kommendes Jahr ist Halbzeit für die aktuelle Kommission. Welche Vorhaben U. von der Leyen noch hat, hat sie in einer an Rat und Parlament adressierten Absichtserklärung aufgezeigt. Darunter finden sich u.a.:

Ein Europa für das digitale Zeitalter

  • Europäischer Rechtsakt über die Cyberabwehrfähigkeit
  • Europäischer Rechtsakt über Chips
  • Fahrplan für Sicherheits- und Verteidigungstechnologien
  • Legislativvorschlag zum Aufbau eines weltraumgestützten globalen sicheren Kommunikationssystems der EU
  • Überprüfung der Wettbewerbspolitik: Fit für neue Herausforderungen
  • Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für eine bessere Vermittlung digitaler Kompetenzen
  • Legislativvorschlag für ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt
  • Legislativvorschlag für multimodale digitale Mobilitätsdienste

Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen

  • Legislativvorschlag zur Umsetzung der globalen OECD-Vereinbarung über die Neuzuweisung von Besteuerungsrechten
  • Legislativvorschlag zur Umsetzung der globalen OECD-Vereinbarung über die effektive Mindestbesteuerung

Ein stärkeres Europa in der Welt

  • Global Gateway Initiative zur Konnektivität
  • Strategie für das Handeln im internationalen Energiebereich

DIGITAL MARKETS ACT – EUROPÄISCHES PARLAMENT: Der Berichterstatter im Binnenmarktausschuss, A. Schwab (EVP) bestätigte während eines Webinars von Mozilla vergangene Woche die Abstimmung im Ausschuss für Dezember diesen Jahres und das Ziel der Geltung des DMA mit Beginn 2023. Es werde eine Herausforderung aber man müsse sicherstellen, dass – auch wenn die Lösung nicht perfekt sei – man irgendwo anfange und nicht ewig diskutiere, sagte er.

Auf einer Pressekonferenz vergangene Woche sagte er zudem (vgl. Politico Pro, Paywall, EN), die größte Herausforderung bei der Vervollständigung der neuen digitalen Wettbewerbsregeln sei vielleicht nicht die Entscheidung, wer von ihnen betroffen sein wird, sondern wer sie durchsetzen wird. Und es es werde wichtig sein, ein „Gleichgewicht“ zwischen der Kommission, die ihre Rolle als Hauptaufsichtsbehörde abgesteckt hat, und den EU-Staaten zu finden.

Im Industrieausschuss (ITRE) wurden unterdessen die Änderungsanträge 87-310, 311-575 und 576-761 veröffentlicht.

DIGITAL SERVICES ACT I – EUROPÄISCHES PARLAMENT: Die Berichterstatterin im Binnenmarktausschuss (IMCO) legte den ersten Teil der abgestimmten Änderungsanträge für den DSA vor (PDF). Dieser umfasst – mit Ausnahmen – die Artikel 1 bis 19.

Im Industrieausschuss (ITRE) einigten sich unterdessen die Schattenberichterstatter/innen auf die endgültigen Kompromissänderungsanträge (PDF). Der neue Text empfiehlt u.a. eine standardmäßige Deaktivierung von algorithmischen Empfehlungssystemen und die Inkludierung von Suchmaschinen als Online-Plattformen. Zudem wurde ein Hinweis auf die Bedeutung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung hinzugefügt.

Der ITRE Ausschuss wird am 27. September über seine Stellungnahme abstimmen, während der Rechtsausschuss (JURI) für seine Stellungnahme den 30. September vorgesehen hat. Im federführenden IMCO Ausschuss wird für den 8. November eine Abstimmung über den Bericht erwartet.

DIGITAL SERVICES ACT II – RAT SCHLÄGT LÖSCHFRISTEN VOR: Die slowenische Ratspräsidentschaft hat am Donnerstag einen neuen Kompromissvorschlag zu Kapitel III, Abschnitte 3a, 4 und 5 an die Mitgliedstaaten versandt (PDF). Darin schlägt Slowenien u.a. eine 24 oder 48 Stunden Löschfrist für illegale Inhalte auf sehr großen Online-Plattformen vor. Auch sollen Suchmaschinen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.

Der Text soll am Donnerstag diskutiert werden.

CYBERSICHERHEIT – NEUER VORSCHLAG ZU NIS2 IM RAT: Der vergangenen Mittwoch in der Arbeitsgruppe diskutierte Vorschlag der slowenischen Ratspräsidentschaft (PDF) brachte zwei zentrale Änderungen bei der Einteilung in „wesentliche“ und „wichtige“ Unternehmen einerseits sowie bei der Aufsicht andererseits.

EINHEITLICHES LADEKABEL – NEUER VERSUCH: Nach Medienberichten (Europe.Table) bestätigt die EU Kommission für kommende Woche einen Vorschlag für einheitliche Ladekabel-Anschlüsse für Mobiltelefone verabschieden zu wollen.

Wahrscheinlich sei, dass dies mittels eines delegierten Rechtsakts im Rahmen der Funkgeräterichtlinie von 2014 geschehen werde. Die Richtlinie enthält in Artikel 3 die Möglichkeit, einheitliche Ladekabel-Anschlüsse für zu definierende Geräteklassen im Rahmen eines delegierten Rechtsakts innerhalb der EU vorzuschreiben. In der Folge könnte das Vorhaben bereits Ende November in Kraft treten.

PLATTFORMARBEITER – EP NIMMT ENTSCHLIESSUNG AN: In der am Donnerstag in Straßburg angenommenen Entschließung fordern die Abgeordneten einen europäischen Rahmen, der Personen, die für digitale Arbeitsplattformen arbeiten, das gleiche Maß an sozialem Schutz bietet wie Arbeitnehmer der gleichen Kategorie, die nicht für Plattformen arbeiten.

Die Europaabgeordneten sprechen sich jedoch dagegen aus, alle Plattformarbeiter*innen automatisch als Angestellte zu behandeln. Wer wirklich selbständig arbeitet, sollte in dieser Position bleiben dürfen (vgl. Pressemitteilung EP).

Unterdessen hat in den Niederlanden das Amsterdamer Bezirksgericht entschieden (NL), dass UBER Fahrer unter den Tarifvertrag für Taxi-Transporteure fallen – somit als Angestellte gelten.

DATA GOVERNANCE ACT – RAT: Der DGA geht in die nächste Phase. Politico Pro (Paywall, EN) berichtet, dass das Datengesetz am 1. Oktober von den stellvertretenden Botschaftern im AStV I behandelt wird. Ein EU-Beamter, der mit dem Prozess vertraut ist, sagte, dass einige Länder geringfügige Änderungen in Bezug auf Datenvermittler und internationale Datentransfers gefordert hätten.

FIT FOR 55 – ZUSTÄNDIGKEITEN IM ITRE: Der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments (ITRE) hat die Dossiers des Fit-for-55-Klimapakets verteilt. Federführend zuständig ist der Ausschuss für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EVP) sowie für die Energieeffizienz-Richtlinie (S&D).

Für die meisten Gesetzestexte aus dem Paket, das die EU-Kommission im Juli vorgestellt hatte, wird der Umweltausschuss zuständig sein. Der Verkehrsausschuss wird federführend für die Richtlinien ReFuelEU Aviation, FuelEU Maritime sowie zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zuständig sein.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ – SLOWENIEN WILL FORTSCHRITTSBERICHT BIS DEZEMBER: Auf der von Slowenien und der Europäischen Kommission organisierten (und von technischen Problemen gequälten) KI-Konferenz sagte der französische Digitalminister Cédric O, Frankreich wolle, dass das KI-Gesetz eine EU-weite Harmonisierung, einen ausgewogenen Ansatz, der die Innovation nicht behindert, und Flexibilität bietet. O betonte auch, dass die Durchsetzung der DSGVO verbessert werden sollte.

  1. Koritnik, Sloweniens Minister für öffentliche Verwaltung, äußerte unterdessen die Hoffnung, nicht nur eine vollständige Lesung des Textes zu erreichen, sondern auch „den ersten Kompromissvorschlag oder den Fortschrittsbericht bis Dezember dieses Jahres vorzulegen.“

COOKIES – FRANKREICH: Wie bereits zuvor berichtet, hatte die französische Datenschutzbehörde CNIL im Juli Aufforderungsschreiben wegen Verstoßes gegen die Cookie-Vorschriften verschickt. Am Dienstag teilte CNIL mit (FR), dass 30 dieser Unternehmen die Missstände behoben hätten. Vier weitere hätten um Aufschub gebeten und nochmal vier wären eine Antwort schuldig geblieben. Die CNIL bereitet sich darauf vor, weitere Websites zu kontrollieren und wird im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen besonders auf die Websites politischer Parteien achten.

ÜBERPRÜFUNG DER PRODUKTSICHERHEITSRICHTLINIE – BERICHTERSTATTER IM EP: E. Gebhardt (S&D, DE) wurde zur Berichterstatterin des Rechtsausschusses (JURI) für die Überprüfung der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie ernannt. Sie ist auch Schattenberichterstatterin im federführenden Binnenmarktausschuss (IMCO). Die Berichterstatterin ebendort ist D. Charanzova (Renew, CZ).

Einzelne Veröffentlichungen, u.a. des EP Think Tanks:

 

Ausgewähltes der aktuellen Woche

Hier finden Sie eine Auflistung der kommenden Termine des Europäischen Parlaments.

Eine Übersicht über die wichtigsten Termine der Woche des Rats finden Sie hier bzw. den Sitzungskalender hier, die Schwerpunkte der Sitzungen der nächsten 14 Tage hier sowie eine Übersicht für den slowenischen Ratsvorsitz hier.

Darunter finden sich u.a.:

Gipfel- und Ministertreffen:

Vorbereitungsgremien:

Informationen zur wöchentlichen Kommissionssitzung finden Sie in der Vorschau bzw. (kurzfristig) in der aktuellen Tagesordnung. Für die kommende Woche sind die folgenden Themen vorgesehen:

  • Auf dem Weg zum künftigen Rechtsrahmen des Allgemeinen Präferenzschemas zur Gewährung von Handelsvorteilen für Entwicklungsländer
  • Überprüfung der Solvabilität II (Aufsichtsregeln für Versicherungsunternehmen)

Den Gerichtskalender des EuGH finden Sie hier. Am 23. September präsentiert der Generalanwalt die Schlussanträge im Verfahren Austro-Mechana zu der Frage der Speichermedienvergütung für Cloudspeicher (C-433/20). Außerdem findet taggleich die Verhandlung im Verfahren Facebook zu Auslegungsfragen der DSGVO statt (C-319/20). Von 27. bis 29. September findet die Anhörung im Verfahren Google v Kommission zur Marktbeherrschung durch Android statt (T-604/18).

LIBE Ausschuss (EP)

  • Donnerstag, 30. September 2021, 9.00-12.00 (Brüssel)

(Kalender)

JURI Ausschuss (EP)

  • Donnerstag, 30. September 2021 (Brüssel)

(Kalender)

ITRE Ausschuss (EP)

  • Montag, 27. September 2021, 13.45-16.15 Uhr und 16.45-18.45 Uhr (Brüssel)
  • Donnerstag, 14. Oktober 2021, 9.00-12.00 Uhr, 13.45-15.45 Uhr und 16.45-18.45 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

IMCO Ausschuss (EP)

(Kalender)

CULT Ausschuss (EP)

  • Montag, 27. September 2021 (Brüssel)

(Kalender)

AIDA Ausschuss (EP) – Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter

  • Donnerstag, 30. September 2021, 9.00-12.00 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

Übersicht der Hearings

INGE (EP) – Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation

  • offen

(Kalender)

Übersicht der Hearings

Weiterer Parlamentskalender

KW 39 / Montag, 27. bis Donnerstag, 30. September: Fraktions- und Ausschusssitzungen (Brüssel);

KW 40 / Montag, 4. bis Donnerstag, 7. Oktober: Plenarsitzungswoche (Straßburg);

KW 41 / Montag, 11. bis Donnerstag, 14. Oktober: Fraktions- und Ausschusssitzungen (Brüssel);

 

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