25.10.2021

Brüsselblick

­­­Mit dem „Brüsselblick“ berichtet eco über aktuelle Entwicklungen und Sitzungen innerhalb der EU und gibt damit einen informativen Einblick in die Europa-Politik sowie in unser Engagement vor Ort.

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­Das Wichtigste im Überblick

EU-KOMMISSION VERABSCHIEDET ARBEITSPROGRAMM FÜR 2022: Die EU-Kommission hat vergangene Woche ihr Arbeitsprogramm 2022 verabschiedet (siehe Pressemitteilung). Damit manifestiert sie ihren Weg nach vorne, den EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union im vergangenen Monat bereits dargelegt hat. Das Arbeitsprogramm (Mitteilung, PDF und Factsheet, PDF) umfasst 42 neue politische Initiativen, 26 Initiativen zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften, 76 anhängige vorrangige Vorschläge und 6 Vorschläge zur Rücknahme.

Unter anderem hat die EU-Kommission mehrere neue Initiativen mit Relevanz für die Internetbranche angekündigt (Anhang I, sortiert nach Datum):

  • Fahrplan für Sicherheits- und Verteidigungstechnologien (nicht-legislativ, Q1 2022)
  • Notfallinstrument für den Binnenmarkt (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Q1 2022)
  • Europäisches Chip-Gesetz (legislativ oder nicht-legislativ, Q2 2022)
  • Aufbau eines weltraumgestützten globalen sicheren Kommunikationssystems der EU (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 189 AEUV, Q2 2022)
  • Europäischer Rechtsakt über die Cyberabwehrfähigkeit (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Q3 2022)
  • Erleichterung des Zugangs kleiner und mittlerer Unternehmen zu Kapital (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 114 AEUV, 3. Quartal 2022)
  • Europäischer Rechtsakt über die Medienfreiheit (Gesetzgebung, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 114 AEUV, 3. Quartal 2022)
  • Multimodale digitale Mobilität (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 91 AEUV, Q4 2022)
  • Vorschlag zur Umsetzung der globalen OECD-Vereinbarung über die Neuaufteilung von Besteuerungsrechten (legislativ, Artikel 115 AEUV)

Einige Überarbeitungen (Anhang II) haben auch (direkte oder indirekte) Relevanz für die Internetindustrie, wie z.B.:

  • Überarbeitung der Leitlinien für staatliche Beihilfen für Breitbandnetze (nicht-legislativ, Q2 2022)
  • Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter: Überarbeitung der Mehrwertsteuerrichtlinie und der Verordnung des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 113 AEUV, Q3 2022)
  • Überarbeitung der Zollvorschriften der Union (legislativ, inkl. Folgenabschätzung, Artikel 33, 114 und 207 AEUV, Q4 2022)

E-EVIDENCE – “AKTUELLER” STAND DER VERHANDLUNGEN: Statewatch hat ein Dokument (PDF, EN) der slowenischen Ratspräsidentschaft zum aktuellen Stand der Verhandlungen zu der E-Evidence Verordnung (zum Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf digitale Daten in anderen Mitgliedstaaten) veröffentlicht. Das Dokument datiert vom 30. September.

Der Ratsvorsitz spricht darin von „sehr guter Atmosphäre“ aber auch von „deutlichen Unterschieden in der Sache“: „In der Tat hat der Vorsitz den Eindruck, dass das Europäische Parlament in Fragen, die es a priori für wichtig hält, eindeutig zu Zugeständnissen bereit ist, so z.B. in Bezug auf den Umfang der Mitteilungspflichten, die aufschiebende Wirkung von Anordnungen und den Charakter der Versagungsgründe. In Bezug auf das so genannte Wohnsitzkriterium vertritt das Parlament jedoch nach wie vor nachdrücklich die Auffassung, dass der Wohnsitz einer Person grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Meldepflicht haben sollte, auch wenn bei den Modalitäten Raum für Diskussion besteht.“

DIGITAL MARKETS ACT I – IMCO ABSTIMMUNG POTENZIELL ERST 2022: Die S&D-Schattenberichterstatterin im Binnenmarktausschuss (IMCO), E. Gebhardt (DE), zeigt sich gegenüber Politico skeptisch was den Abstimmungstermin am 8. November betrifft, betont allerdings gleichzeitig, dass diese spätestens im Januar erfolgen müsse. Der weitere Verlauf hänge stark von den Arbeitstreffen kommende Woche ab.

Beinahe konträr hierzu berichtet Contexte (Paywall, FR) von „Optimismus“ und „konstruktiver Arbeitsatmosphäre“ für eine Abstimmung am 8. November.

Die Berichterstatter/innen treffen sich am Dienstag zu weiteren Gesprächen, insb. zu den Punkten Anwendungsbereich, Interoperabilität und personalisierte Werbung.

DIGITAL MARKETS ACT II – RAT GIBT KOMMISSION STÄRKERE ROLLE: Im Streit um das Ursprungslandprinzip bzw. die Interventionsmöglichkeiten des Ziellandes sucht der Rat weiter nach einem Mittelweg beim DMA; und glaubt ihn möglicherweise in der EU-Kommission zu finden. Das geht aus einem von Contexte (Paywall, FR) veröffentlichten Dokument vom 12. Oktober hervor (PDF).

Wie Table Europe (Paywall) berichtet, planen die Botschafter die Verabschiedung der Ratsposition bereits für 10. November, nachdem der jüngste Kompromissvorschlag „sehr wohlwollen“ angenommen worden wäre. Dieser sieht vor, „dass nationale Behörden wie das Bundeskartellamt eigene Untersuchungen anstrengen können, die Kommission aber ab einem bestimmten Zeitpunkt übernimmt. Das soll eine einheitliche Auslegung der Regeln innerhalb der EU gewährleisten. Die französische Forderung, mehr Raum für individuelle Fallprüfungen im DMA vorzusehen, fand wenig Zustimmung im Rat.“

DIGITAL SERVICES ACT – RAT GEGEN „DUNKLE MUSTER“: Im letzten Kompromiss der slowenischen Ratspräsidentschaft vom 19. Oktober (via Contexte, Paywall, FR – PDF) verstärken die europäischen Staaten den Kampf gegen irreführender Schnittstellen, sog. „Dark Patterns“, auch auf Marktplätzen und Empfehlungssystemen sehr großer Plattformen.

Der Rat gestattet es den nationalen Koordinatoren zudem eine Plattform als „very large online platform“ zu kategorisieren, selbst wenn diese die geforderten Informationen nicht veröffentlicht oder bereitstellt. Der Rat streicht beiläufig Artikel 25a über die rasche Bearbeitung von Meldungen vertrauenswürdiger Flagger.

EU-US DATENSCHUTZSCHILD – HOFFEN AUF ABSCHLUSS VOR JAHRESENDE: Wie Politico (EN) berichtet, seien die EU und die USA zuversichtlich, dass bis Ende des Jahres eine neue Vereinbarung über die Übermittlung digitaler Daten über den Atlantik erzielt werden kann. Die Verhandlungsführer hätten sich regelmäßig getroffen, trotz der anhaltenden Bedenken, dass jedes Abkommen vor dem höchsten europäischen Gericht angefochten werden könnte.

Um eine Anfechtung oder zumindest eine Aufhebung zu verhindern, soll eine mögliche Rechtsaufsicht über amerikanische nationale Sicherheitsbehörden durch unabhängige Richter eingesetzt werden, die darüber entscheiden könnten, ob eine solche Datensammlung rechtmäßig und verhältnismäßig ist. Das Ziel wäre es, den europäischen Ländern zu ermöglichen, im Namen ihrer Bürger rechtliche Anfragen an die US-Regierung zu stellen, um zu überprüfen, wann die Daten von Personen gesammelt wurden und ob diese Praktiken mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar sind.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ I – WEITER KOMPETENZSTREITIGKEITEN IM EP: Die Konferenz der Präsidenten hat, laut Information verschiedener Quellen, in einer Sitzung vergangenen Mittwoch beschlossen, erst am 18. November darüber zu entscheiden, welcher Parlamentsausschuss für welche Teile des KI-Gesetzes zuständig sein soll.

Damit verzögert sich der Beginn der Arbeiten am Text weiter und könnte sich Richtung Dezember entwickeln.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ II – DEUTSCHLAND STARTET ZENTRUM FÜR VERTRAUENSWÜRDIGE KI: Das deutsche Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) wird künftig das neue Projekt „Zentrum für vertrauenswürdige KI“ fördern. Projektnehmer sind der Think Tank iRights.Lab, die Fraunhofer Gesellschaft sowie die Freie Universität Berlin.

Ziel des Zentrums ist es, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft in einem KI-Ökosystem zusammenzubringen – und so vertrauenswürdige Anforderungen und Eigenschaften von KI-Systemen zu definieren sowie darauf hinzuwirken, vertrauenswürdige KI-Systeme als Standard zu etablieren.

Für das Vorhaben stehen bis Ende 2023 Mittel in Höhe von bis zu 4,5 Mio. Euro zur Verfügung. (vgl. Pressemitteilung)

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ III – KONSULTATION DER EU-KOMMISSION ZU ZIVILRECHTLICHER HAFTUNG: Die EU-Kommission hat eine öffentliche Konsultation zu der Anpassung der Haftungsregeln an das digitale Zeitalter und an die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz gestartet. Sie läuft zumindest bis zum 10. Januar. Ein entsprechender Legislativvorschlag soll im dritten Quartal 2022 präsentiert werden; im Arbeitsprogramm der Kommission findet er jedoch keine Erwähnung.

TAG DER VERSCHLÜSSELUNG – ZAHLREICHE UNTERSTÜTZUNGSERKLÄRUNGEN: Eduard Snowden hat sich am „Global Encryption Day“ (wenig überraschend) für Verschlüsselung ausgesprochen und unterstrichen: „Ohne Verschlüsselung wäre es für mich unmöglich gewesen, Whistleblowing zu betreiben. Meine ersten Nachrichten an Journalisten wurden verschlüsselt übermittelt, und ohne eine sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist es unmöglich zu sehen, wie mutiger investigativer Journalismus überhaupt stattfinden kann.“

Auch eine fraktionsübergreifende Gruppe von Europaabgeordneten hat Gefahren aufgezeigt. In einem offenen Brief (PDF) wandten sie sich an Kommissionsvizepräsidentin Vestager et al. Der für Anfang Dezember angekündigte Gesetzesentwurf zur verdachtslosen Nachrichten- und Chatkontrolle bedrohe sichere Verschlüsselung sowie die IT-Sicherheit im Allgemeinen.

URHEBERRECHT – NATIONALE UMSETZUNGEN: Während das Warten auf die Entscheidung des EuGH zur Klage Polens betreffend Art. 17 Urheberrechtrichtlinie (DSM-RL) weitergeht, befinden sich zahlreiche Mitgliedstaaten weiterhin in der Phase der Umsetzung:

  • Kroatien: Hier tritt die nationale Umsetzung am 22. Oktober in Kraft
  • Frankreich: Das französische Kulturministerium räumt sich selbst die Befugnis ein, zu bestimmen, wann Inhalteanbieter Zugang zu „großen Mengen urheberrechtlich geschützter Werke“ bieten (basierend entweder auf der Größe des Publikums der Plattform oder der Menge der von den Nutzern hochgeladenen Inhalte)
  • Italien: Die Prüfung der DSM-RL durch das italienische Parlament nähert sich dem Ende. Die zuständigen Ausschüsse, sowohl im Senat als auch in der Kammer, haben ihre Stellungnahmen zu dem Text abgeschlossen.
  • Luxemburg: Der luxemburgische Staatsrat hat seine Stellungnahme zum Umsetzungsvorschlag der Regierung abgegeben und dabei hauptsächlich juristische Kommentare vorgebracht.
  • Finnland: Der Umsetzungsvorschlag der finnischen Regierung, der derzeit bis zum 31. Oktober zur Konsultation steht, soll dem Parlament Mitte Dezember vorgelegt werden.
  • Spanien: Die spanische Regierung versucht, die Umsetzung des Richtlinie per königlichem Dekret im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens (unter Umgehung der parlamentarischen Kontrolle) durchzusetzen. Dies solle „in den kommenden Wochen“ geschehen.
  • Österreich: Die öffentliche Konsultation endete am 13. Oktober.
  • Portugal: Die parlamentarische Prüfung des Vorschlags begann mit einer ersten gemeinsamen Stellungnahme (PDF) zu der DSM- und der SatCab-Richtlinie sowie einer Debatte im Plenum. Infolge einer Verfahrensabstimmung vergangene Woche (PDF) wird das Dossier für 60 Tage an den Kulturausschuss zur weiteren eingehenden Prüfung vor einer endgültigen Abstimmung im Plenum zurückverwiesen.

Einzelne Veröffentlichungen, u.a. des EP Think Tanks:

 

Ausgewähltes der aktuellen Woche

Hier finden Sie eine Auflistung der kommenden Termine des Europäischen Parlaments.

Im Binnenmarktausschuss (IMCO) stehen kommende Woche wieder Diskussionen zu DSA und DMA – in Form der Änderungsanträge – auf der Tagesordnung. Im Wirtschafts- (ECON) und im Industrieausschuss (ITRE) stehen die Stellungnahmen zum DMA zur Abstimmung – in letzterem auch die Abstimmung zum NIS2 Bericht.

Eine Übersicht über die wichtigsten Termine der Woche des Rats finden Sie hier bzw. den Sitzungskalender hier, die Schwerpunkte der Sitzungen der nächsten 14 Tage hier (PDF) sowie eine Übersicht für den slowenischen Ratsvorsitz hier (PDF).

Darunter finden sich u.a.:

Gipfel- und Ministertreffen:

Vorbereitungsgremien:

Informationen zur wöchentlichen Kommissionssitzung finden Sie in der Vorschau (PDF) bzw. (kurzfristig) in der aktuellen Tagesordnung. Hervorzuheben gilt es u.a. die Global Gateway Initiative zur Konnektivität (neuerlich verschoben auf 17. November), den Data Act sowie das Paket „Sicherheit und Recht in der digitalen Welt“ (jeweils 1. Dezember).

Für die kommende Woche sind die folgenden Themen vorgesehen:

  • Überprüfung der Rechtsvorschriften über die Eigenkapitalanforderungen (Basel III)

Den Gerichtskalender des EuG(H) finden Sie hier. Am 10. November wird das Urteil im Verfahren zu Google Shopping (T-612/17) und am 18. November werden die Schlussanträge in den verbundenen Verfahren SpaceNet (C-793/19) und Telekom Deutschland (C-794/19) zur Vorratsdatenspeicherung erwartet.

 

Ausschüsse im Europäischen Parlament

LIBE Ausschuss (EP)

  • Dienstag, 9. November 2021, 9.00-12.00 Uhr, 13.45-15.45 Uhr und 16.45-18.45 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

JURI Ausschuss (EP)

  • Montag, 15. November (Brüssel)
  • Donnerstag, 18. November (Brüssel)

(Kalender)

ITRE Ausschuss (EP)

  • Dienstag, 9. November 2021, 13.45-15.45 Uhr (Brüssel)
  • Donnerstag, 11. November 2021, 13.45-15.45 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

IMCO Ausschuss (EP)

  • Offen

(Kalender)

CULT Ausschuss (EP)

(Kalender)

AIDA Ausschuss (EP) – Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter

(Kalender)

Übersicht der Hearings

INGE (EP) – Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation

  • Dienstag, 9. November 2021, 13.45-15.45 und 16.15-18.15 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

Übersicht der Hearings

Weiterer Parlamentskalender

KW 44 / Montag, 1. bis Freitag, 5. November: Grüne Woche (sitzungsfrei);

KW 45 / Montag, 8. bis Donnerstag, 11. November: Mini-Plenarsitzungswoche (Brüssel);

KW 46 / Montag, 15. bis Donnerstag, 18. November: Fraktions- und Ausschusssitzungswoche (Brüssel);

 

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