24.01.2022

Brüsselblick

Mit dem „Brüsselblick“ berichtet eco über aktuelle Entwicklungen und Sitzungen innerhalb der EU und gibt damit einen informativen Einblick in die Europa-Politik sowie in unser Engagement vor Ort.

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­Das Wichtigste im Überblick

DIGITAL SERVICES ACT – BERICHT IM PLENUM VERABSCHIEDET: Mit einer deutlichen Mehrheit haben die Abgeordneten vergangenen Donnerstag den DSA Bericht (PDF) im Europäischen Parlament verabschiedet (Abstimmungsergebnis, PDF). Zuvor wurden noch zahlreiche Änderungsanträge eingebracht, von denen zehn auch bestätigt wurden. Dazu gehören u.a. Regeln zu gezielter Werbung, AGBs, KYBC und anonymer Nutzung (EP Pressemitteilung).

Damit können nunmehr die Trilogverhandlungen beginnen. Die französische Ratspräsidentschaft hat auch bereits die ersten Termine vorgeschlagen (vgl. Luca Bertuzzi, Twitter): 31. Januar, 22. Februar, 15. März, 24./25. März und 6.-8. April. Damit will man ein Ergebnis noch vor den französischen Präsidentschaftswahlen am 10. April erreichen. Die Parlaments-Berichterstatterin, C. Schaldemose, hat jedoch bereits klargestellt, sich von diesem Fahrplan nicht unter Druck setzen lassen zu wollen.

Laut Berichten von Contexte (Paywall, FR), soll man sich bisher auf den Starttermin 31. Januar sowie auf den 15. März geeinigt haben.

DATA ACT – KOMMISSION MIT ÄNDERUNGEN ZUM ZWEITEN VERSUCH: Die EU-Kommission hat mit der neuen Folgenabschätzung, welche sie dem Ausschuss für Regulierungskontrolle nach Berichten von Contexte (Paywall, FR) vorlegte, versucht auf dessen Bedenken betreffend die vorherige Version einzugehen. Grundsätzlich sollten die künftigen Rechtsvorschriften den Behörden den Zugang zu Daten ermöglichen, die sich im Besitz von Privatunternehmen befinden und nicht anderweitig verfügbar sind (B2G).

Nach Angaben von Contexte wurde in dem neuen Text die Definition des öffentlichen Interesses und der Begriff, nach dem öffentliche Einrichtungen Zugang zu privat gehaltenen Daten beantragen können, überarbeitet sowie die Bezugnahme auf bestimmte Sektoren gestrichen. Die Studie versucht auch zu klären, wie private Unternehmen für die Weitergabe solcher Daten entschädigt werden sollen.

Die neue Folgenabschätzung soll am Freitag auch bereits die Bestätigung erhalten haben (vgl. Contexte, Paywall, FR). Damit könnte die Kommission ihren Vorschlag am 23. Februar präsentieren. Zweite negative Stellungnahmen sind eher selten und würden dazu führen, dass die Argumentation des Kontrollgremiums öffentlich gemacht wird.

DIGITAL MARKETS ACT – WEBBROWSER UND DIGITALE ASSISTENTEN BESTÄTIGT: Am Dienstag wird A. Schwab im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments (IMCO) über den Verlauf der bisherigen Trilogverhandlungen zum DMA berichten. Nach ersten Medienberichten (vgl. Politico Pro, Paywall, EN), wird er dabei einen ersten kleinen Erfolg bei den Verhandlungen präsentieren können. So soll der Rat in den technischen Gesprächen einer Erweiterung der zentralen Plattformdienste um Webbrowser und digitale Assistenten zugestimmt haben. Eine Einigung darüber, auch „Connected-TV“ zu inkludieren, konnte allerdings nicht erzielt werden. Das Ergebnis muss allerdings noch auf politischer Ebene bestätigt werden.

Von den technischen Gesprächen direkt ausgeschlossen wurden hingegen die Schwellenwerte – Umsatz und Marktkapitalisierung. Diese sollen, ob ihrer geopolitischen Brisanz, auf politischer Ebene diskutiert werden.

Das erste 4-Spalten-Dokument vom 19. Januar wurde unterdessen publik (PDF).

PRODUKTSICHERHEIT – PARLAMENT VERSCHÄRFT REGELN: Geht es nach den Abgeordneten im EP, soll die Allgemeine Produktsicherheitsverordnung strenge Verpflichtungen für Online-Marktplätze erhalten. Das geht aus den veröffentlichten Änderungsanträgen (ÄA) hervor (168-476 und 477-786, PDF).

Die scheidende MdEP E. Gebhardt schlug vor, Online-Marktplätze zu Wirtschaftsakteuren zu machen und ihre rechtliche Verantwortung erheblich zu erhöhen (vgl. ÄA 211). Online-Marktplätze „könnten auch als Wirtschaftsbeteiligte angesehen werden, wenn sie Hersteller, Importeur, Händler oder Fulfillment-Dienstleister des jeweiligen Produkts“ sind, heißt es auch im ÄA 214 von M. Walsmann et al.

S&D, Grüne und EVP schlugen jeweils vor, eigenständige Software mit einigen Nuancen in das Gesetz aufzunehmen (vgl. u.a. ÄA 200, 305 und 306). K. Van Sparrentak (Grüne) möchte freie und quelloffene Software ausnehmen (vgl. ÄA 185 und 302).

  1. Walsmann schlug „spezifische Überwachungspflichten“ für Online-Marktplätze vor, um zu verhindern, dass unsichere Produkte auf ihren Plattformen wieder auftauchen (vgl. ÄA 227). Gebhardt schlug eine ähnliche Maßnahme vor, fügte jedoch hinzu, dass sie nicht zu einer allgemeinen Überwachungspflicht führen und einer menschlichen Überprüfung unterliegen sollte (vgl. ÄA 225 und 586).

Sowohl die S&D als auch die EVP schlugen eine Frist von 24 Stunden vor, innerhalb derer Online-Marktplätze gefährliche Produkte vom Netz nehmen müssen (vgl. ua. ÄA 558). Geht es nach M. Walsmann, gilt diese Frist jedoch nur für den Fall, dass die Meldung von einer Marktüberwachungsbehörde mit „ausreichenden Details“ übermittelt wird (vgl. ÄA 577). Die Kommission hatte ursprünglich eine Frist von höchstens zwei Arbeitstagen genannt. (vgl. Politico Pro, Paywall, EN)

CYBERSICHERHEIT – NIS2 TRILOG: Politico berichtet von den Ergebnissen der ersten Triloggespräche von einer guten Stimmung. „Die Unterhändler haben bereits über vier spezifische Hürden im Gesetzentwurf verhandelt. Ein Beamter sagte, dass es bei so ziemlich allem einen Mittelweg gebe, was aber nicht bedeute, dass jede Hürde leicht zu überwinden sei.“

Die Diskussion darüber, welche Organisationen unter welche (Art von) Regelung im Rahmen des Gesetzes fallen sollten, bleibe dabei eine schwierige Angelegenheit. Die Länder im EU-Rat haben diesen Teil des Gesetzentwurfs im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission vom Dezember 2020 drastisch umgeschrieben, so dass es schwierig sei, die Positionen von Rat und Parlament technisch zusammenzuführen. Auch gäbe es eine tiefere Meinungsverschiedenheit darüber, welche staatlichen Stellen unter das Gesetz fallen sollten.

Die nächste Verhandlungsrunde soll am 17. Februar stattfinden, gefolgt vom 15. März und dem 25. April. Eine Ersatzsitzung ist für die erste Mai-Hälfte eingeplant. Dh bis spätestens Mitte Mai sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein (4-Spalten-Dokument vom 11. Januar, PDF).

COOKIES – EDSA REAGIERT AUF HARMONISIERUNGSFORDERUNG: Französische Verleger und Online-Werbeunternehmen haben nunmehr eine Antwort auf ihre Schreiben an den Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) erhalten. Darin forderten sie einheitliche Regeln für Tracker. In ihrer Antwort (PDF) versichert die EDSA-Vorsitzende A. Jelinek, dass das Ziel des EDSA tatsächlich eine einheitliche Umsetzung des Datenschutzrahmens ist. Sie verweist sowohl auf die DSGVO als auch auf die E-Privacy-Richtlinie, wenn es um Cookies geht. Konkret erwähnt sie die im September angekündigte Taskforce zu Cookie-Bannern und die Aktualisierung der Leitlinien zur Einwilligung nach dem Inkrafttreten der DSGVO.

IOT – EU-KOMMISSION VERÖFFENTLICHT SEKTOR-BERICHT: Die Europäische Kommission hat ihren Abschlussbericht über eine Untersuchung des IoT-Sektors veröffentlicht. Sprachassistenten werden in dem Bericht besonders ins Visier genommen. Der Bericht basiert auf über 200 Rückmeldungen von Unternehmen und Standardisierungsorganisationen auf den Fragebogen sowie 26 Stellungnahmen zum vorläufigen Bericht (PDF) vergangenes Jahr.

In dem 12-seitige Bericht (PDF) und dem 118-seitige Begleitdokument (PDF) sieht sich die EU-Kommission in einigen ihrer Bedenken bestätigt, die sie in einem im Juni letzten Jahres veröffentlichten vorläufigen Bericht geäußert hatte wonach das Internet der Dinge von einer Handvoll Plattformen beherrscht werde, deren Verhalten zu kartellrechtlichen Untersuchungen führen könnte. (vgl. Politico, Paywall, EN)

GLOBALE STEUERVEREINBARUNG IN GEFAHR: Drei EU-Länder haben die Bemühungen des Blocks, innerhalb von 12 Monaten einen globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent einzuführen, ins Wanken gebracht. Beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag stellten Estland, Ungarn und Polen den geplanten Zeitplan in Frage, auf den sich die G20-Länder im Oktober im Rahmen einer umfassenderen Überarbeitung der Unternehmenssteuerregeln geeinigt hatten. (vgl. Politico, EN)

Die Positionen der einzelnen Mitgliedstaaten wurden unterdessen von Johan Barros zusammengetragen.

MEHRWERTSTEUER IM DIGITALEN ZEITALTER – NEUE KONSULTATION: Die Europäische Kommission plant, ein Legislativpaket vorzulegen, um Herausforderungen zu begegnen, welche sie durch die Digitalisierung der Wirtschaft bei der Erhebung der Mehrwertsteuer sieht. Dafür fordert sie Unternehmen, Wissenschaftler, Mitgliedstaaten und andere Interessenträger auf, Ihre Meinungen zum Thema im Rahmen einer öffentlichen Konsultation (bis 15. April) abzugeben.

ONLINEINHALTE – DÄNEMARK PLANT EINFÜHRUNG EINES NETZDG: Die dänische Regierung plant die Einführung einer eigenen, dem NetzDG ähnlichen Gesetzgebung. Der Vorschlag sieht insbesondere Fristen für die Abschaltung von Inhalten vor: 24 Stunden für offensichtlich illegale Inhalte und sieben Tage für andere rechtsverletzende Inhalte. Das Gesetz würde innerhalb eines sehr engen Zeitrahmens durchgesetzt werden: Nach einer Abstimmung im Parlament im Februar könnte das Gesetz bereits im Sommer in Kraft treten. (vgl. Daniel Holznagel, Twitter; IT-Pol Denmark)

VERSCHLÜSSELUNG – GROSSBRITANNIEN GEGEN MESSENGER: Die britische Regierung wolle einen Krieg gegen die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) führen berichtete Rolling Stone (EN) vergangene Woche, und hat bereits eine hochkarätige Werbeagentur damit beauftragt. Ziel sei es, die Unterstützung für die Verschlüsselung in der Messenger-App von Facebook zu verringern. Zu den geplanten Maßnahmen gehören öffentliche Stunts, Bündnisse mit Wohltätigkeitsorganisationen und Strafverfolgungsbehörden sowie eine Medienkampagne. Die Regierung konzentriert sich auf E2EE mit dem Argument, dass es die Bemühungen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Kindern im Internet behindere.

„Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung spielt eine wichtige Rolle für den Schutz unserer Privatsphäre und die Online-Sicherheit. Sie stärkt die Online-Sicherheit von Kindern, indem sie es Kriminellen und Missbrauchstätern nicht erlaubt, ihnen schädliche Inhalte zu schicken oder auf ihre Bilder oder ihren Standort zuzugreifen“, sagte hingegen der oberste Beamte der Datenschutzbehörde (ICO), S. Bonner, und stellte fest, dass sich die Diskussion über die Verschlüsselung zu sehr auf die Kosten konzentriere, „ohne auch die erheblichen Vorteile abzuwägen“. (vgl. ICO, BBC und The Guardian, EN)

Einzelne Veröffentlichungen, u.a. des EP Think Tanks:

Ausgewähltes der aktuellen Woche

Hier finden Sie eine Auflistung der kommenden Termine des Europäischen Parlaments. Den vorläufigen Sitzungskalender für 2022 finden Sie hier (PDF).
Für diese Woche ist die erste Debatte zum Legislativvorschlag zu KI von IMCO und LIBE Ausschuss vorgesehen. Zudem stehen, nach den (Vize-)Präsident/innenwahlen vergangene Woche, nunmehr auch die Neuwahl der Ausschussvorsitzenden an.

Eine Übersicht über die wichtigsten Termine der Woche des Rats finden Sie hier bzw. den Sitzungskalender hier, die Schwerpunkte der Sitzungen der nächsten 14 Tage hier und den vorläufigen Tagungskalender der französischen Ratspräsidentschaft hier (PDF, EN).

Darunter finden sich u.a.:

Gipfel- und Ministertreffen:

Vorbereitungsgremien:

Informationen zur wöchentlichen Kommissionssitzung finden Sie in der Vorschau (PDF) bzw. (kurzfristig) in der aktuellen Tagesordnung. Hervorzuheben sind u.a. der Data Act (23. Februar), der Legislativvorschlag gegen Kindesmissbrauch (2. März) oder der Media Freedom Act (29. Juni). Binnenmarktkommissar Breton betonte zuletzt die Hoffnung, den Chips Act bereits Anfang 2022 präsentieren zu können.
Für die kommende Woche stehen folgende Punkte auf der Agenda:

  • Vorschlag für die Grundsätze der digitalen Dekade

Den Gerichtskalender des EuG(H) finden Sie hier. Am Montag findet die mündliche Verhandlung in einem Fall des deutschen Bundesgerichtshofs zum Recht auf Vergessenwerden statt (C-460/20).

 

Ausschüsse im Europäischen Parlament

LIBE Ausschuss (EP)

  • Montag, 31. Januar 2022, 15.45-18.45 Uhr (Brüssel)
  • Dienstag, 1. Februar 2022, 9.00-12.00 Uhr und 13.45-15.45 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

JURI Ausschuss (EP)

  • Donnerstag, 10. Februar 2022, 9.00-12.00 Uhr und 16.45-18.45 Uhr (Brüssel)
  • Montag, 28. Februar 2022, 13.45-15.45 Uhr (Brüssel)

ITRE Ausschuss (EP)

  • Mittwoch, 2. Februar 2022, 9.00-12.00 Uhr, 13.45-15.45 Uhr und 16.45-18.45 Uhr (Brüssel)
  • Donnerstag, 3. Februar 2022, 9.00-12.00 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

IMCO Ausschuss (EP)

  • offen

(Kalender)

CULT Ausschuss (EP)

  • Montag, 7. Februar 2022 (Brüssel)

(Kalender)

AIDA Ausschuss (EP) – Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter

  • Donnerstag, 10. Februar 2022, 9.00-12.00 Uhr (Brüssel)

(Kalender)

INGE (EP) – Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation

  • offen

(Kalender)

Weiterer Parlamentskalender

KW 5 / Montag, 31. Januar bis Donnerstag, 3. Februar: Ausschusssitzungswoche (Brüssel);

KW 6 / Montag, 7. bis Donnerstag, 10. Februar: Fraktions- und Ausschusssitzungswoche (Brüssel);

KW 7 / Montag, 14. bis Donnerstag, 17. Februar: Plenarsitzungswoche (Straßburg);

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