29.09.2023

Digitale Infrastruktur als Basis von Smart-Home-Anwendungen

Bei dem kompetenzgruppenübergreifenden Event „KG IoT/KG Netze: Digitale Infrastruktur als Basis von Smart-Home-Anwendungen“, gemeinsam umgesetzt mit Huawei Deutschland, ist der eco mit verschiedenen Expert:innen aus dem IoT- und Netze-Umfeld in die Diskussion rund um das Thema Digitale Infrastruktur und deren Notwendigkeit für das smarte Zuhause eingestiegen. Es kristallisierte sich heraus, dass es unabdingbar ist, die Netzinfrastruktur weiter auszubauen, um smarte Anwendungen umsetzen zu können und auch eine reibungslose Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Zudem wurde diskutiert, ob es nicht mehr Standardisierungen gerade im Bereich Konnektivität braucht, um Smart-Home-Lösungen auch herstellerübergreifend nutzen zu können. Hier hat MATTER bereits einen wichtigen Meilenstein gelegt. Gemeinsam mit unseren Expert:innen haben wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.

Digitale Infrastruktur als Basis von Smart-Home-Anwendungen

Smart Tracking, Smart Metering, Smart Locks, Smart Lighting, e-health – IoT im Smart Home verwirklicht die intelligente Gebäudeautomatisierung (Smart Home & Smart Buildings) bereits in zahlreichen Anwendungsbereichen des Alltags. Das Fundament für die smarten Anwendungen bildet eine stabile digitale Infrastruktur, von der Netzinfrastruktur über IoT bis hin zu Rechenzentren.

Bereits im Jahr 2020 nutzten 7 von 10 Personen ein digitales Endgerät aus der Welt des IoT. Auch die Zugänge zu Breitbandanschlüssen in den privaten Haushalten ist im Vergleich von 2010 mit 70% auf  91,4% in 2022 angestiegen (DESTATIS 2010;2020;2022).

Digitalisierung und Vernetzung sind im 21. Jahrhundert Begriffe, die kaum mehr wegzudenken sind. Der Ausbau, die ständige Verbesserung sowie Erneuerung von Infrastrukturen werden unumgänglich. So erhalten auch Automatisierung und Vernetzung mit Hilfe von intelligenten Wohngebäuden und Städten eine ganz neue Perspektive.

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Smart Home – Status Quo

Im Smart-Home-Bereich gibt es viele Konnektivitätstechnologien, die jeweils für unterschiedliche Anwendungen genutzt werden. Konnektivität ist für die Realisierung von IoT-Projekten ein ausschlaggebender Faktor und bildet das Verbindungsstück der IoT-Architektur zwischen Hardware und der IoT Plattform. Zuverlässig, regelmäßig und sicher soll die Kommunikation im IoT ablaufen. Es gibt verschiedene Übertragungsstandards, die für unterschiedliche Anwendungen eingesetzt werden können, wie z. B.:

  • ZigBee
  • Z-Wave
  • WiFi
  • BlueTooth5
  • Narrowband-IoT
  • LoRaWAN
  • Thread
  • KNX

Doch bei umfangreichen Installationen machen Heterogenität, Abgeschlossenheit und unterschiedliche Kommunikationsprotokolle das Zusammenspiel von IoT-Lösungen im Smart Home oft kompliziert.

In seinem Impulsvortrag hat Mike Lange, Vorstand der Smart Home Initiative Deutschland e.V. einen Überblick über die verschiedenen Konnektivitätsmöglichkeiten und -technologien im Smart-Home-Bereich gegeben. Da die verschiedenen Technologien mit den Jahren eher als „Wildwuchs“ entstanden sind, steht die Umsetzung eines Konnektivitätsstandards klar im Fokus. Zwar konnten sich einige Technologien stärker etablieren als andere, dennoch ist der Wunsch nach Vereinheitlichung sowohl hersteller- als auch anwenderseitig groß.

Besonders vielversprechend ist dabei das Interoperabilitätskonzept der MATTER-Allianz (ehemals CHIP, Connected Home over IP), die von der CSA, Connectivity Standards Alliance (ehemals ZigBee Alliance) geleitet wird. Diverse Global Player wie Amazon, Apple, Google und Huawei sind dort Mitglied.

MATTER Standard

MATTER will das SmartHome revolutionieren. Ein einheitlicher Standard soll endlich sämtliche Kompatibilitätsprobleme beheben und für sichere und reibungslose Verbindungen sorgen. Somit soll MATTER eine gemeinsame Basis von SmartHome-Produkten schaffen. Damit funktioniert ein und dasselbe Gerät in verschiedenen Systemen – sofern sie dem neuen Verbindungsstandard entsprechen. Eine MATTER-Funktion namens „Multi Admin“ sieht sogar den gleichzeitigen Betrieb in mehreren SmartHome-Systemen vor. Neben der reinen Verständigung von Geräten untereinander definiert MATTER weitere Rahmenbedingungen. So kommunizieren die Geräte zu Hause über lokale Netzwerkverbindungen. Die Steuerbefehle von MATTER müssen nicht übers Internet laufen. Allerdings können die Gerätehersteller weiterhin ihren eigenen Cloud-Dienst haben. Dafür ist dann die App des Herstellers zuständig.

Mit seiner Einführung legte MATTER zwar einen starken Start hin, doch momentan ist die Vereinheitlichung durch MATTER etwas in Stocken gekommen. MATTER hat das Potenzial zum einheitlichen Standard zu werden, jedoch wird es noch dauern bis sich dieser flächendeckend durchsetzt.

Laut Lange wächst der Smart-Home-Markt jährlich um 15 %, dabei ist einer der treibenden Bereiche aktuell „Elderly Care“ und das Verbleiben in den eigenen Wohnungen im Alter, was IoT mit verschiedenen Smart-Home-Anwendungen ermöglichen kann.

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5.5G kann Einsatzszenarien weiter revolutionieren

In seinem Impuls plädierte Dr. Michael Lipka, Senior Manager Technology Strategy bei Huawei Technologies Deutschland GmbH dafür den Mobilfunk zukunftsfähiger zu machen. Mit 5.5G (oder 5G advanced) ist man hier bereits auf einem entsprechenden Weg und geht den Schritt in Richtung 6G. Wir befinden uns aktuell in einem Umbruch hin zur realtimefähigen Kommunikation. Hier kann der Bereich Network-as-a-Service als Treiber für den Mobilfunkausbau fungieren, so Lipka.

Mit der Verfügbarkeit von 5G hat sich bereits ein Wandel vollzogen, die Hauptanwender sind nicht mehr nur die Endkonsument:innen, sondern mittlerweile vor allem die Industrie, die die 5G-Technologie in der Produktion oder der Logistik nutzt. Die Nutzung von 5.5G mit 10Gbps / Downlink und 1Gbps / Uplink ermöglicht viele weitere Einsatzszenarien. Hinzukommt, dass auch die Kosten hierfür deutlich geringer ausfallen. Die Vorteile von 5.5G für die Industrie sprechen für sich:

  • 10x niedrigere Bit-Kosten für die Service-Bereitstellung
  • Erweiterung der Einsatzszenarien
  • Deterministische Experience

Davon werden dann auch die Bereiche Gebäudeautomation und Smart-Home-Anwendungen sowie der Bereich Healthcare oder autonomes Fahren und viele weitere profitieren.

LoRaWAN - Einsatzmöglichkeiten

Bei IoT-Anwendungen gibt es für jede der verfügbaren Kommunikationstechnologien eine Berechtigung und Anwendungen, die auf diese Technologien ausgelegt sind. Gerade in der Gebäudeautomation hat sich LoRaWAN als sinnvolle Kommunikationstechnologie herausgestellt. Denn im Umfeld von Smart Building und Smart Home bietet diese Technologie einige Vorteile:

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Anwendung

  • Große Vielfalt
  • Hohe Funkreichweite
  • Offener Standard
  • Hervorragend geeignet für Retrofit Anforderungen
  • Nachträgliche Erweiterbarkeit

Nachhaltigkeit

  • Adaptierung neuer Applikationen
  • Vorbereitung für gesetzliche Nachweispflichten etc.

Da sich mit Hilfe von LoRaWAN viele Geräte nachrüsten lassen und die Umsetzungshürde recht gering ist, kann die Technologie Enabler für smarte Gebäude und auch smarte Wohnungen sein.

Smart Home aus Carrier-Perspektive

Aus Carrier-Perspektive geht es im Bereich Smart Home um ganz andere Herausforderungen, die es zu lösen gilt, so Lorenz Grehlich, Bereichsleiter Planung und Implementierung bei der Mnet Telekommunikations GmbH. Denn neue Smart-Home-Funktionen oder Devices erfordern neueste Firmwarefunktionen oder FRITZ!Box-Modelle. Ein unmittelbarer Test und zeitnaher Rollout von neuen Versionen sind daher unumgänglich für Carrier. Nur so kann die reibungslose Nutzung von Smart-Home-Systemen funktionieren. Eine weitere Herausforderung bildet die Umstellung von IPV4 zu IPV6. Vor allem in der Übergangszeit, müssen Netzbetreiber mögliche Kompatibilitätsprobleme lösen.

IPV4 vs. IPV6

IPv4 hat eine theoretische Grenze von 4,3 Milliarden Adressen, und 1980 war das mehr als genug. Mit dem Wachstum des Internets, gingen schnell die Adressen aus, vor allem in der heutigen Ära der Smartphones und IoT-Geräte. Es wurden zwar Möglichkeiten gefunden, um das Problem vorübergehend zu umgehen, aber zeitgleich wurde eine dauerhafte Lösung entwickelt. Um diese Kapazitätsprobleme endgültig zu lösen, wurde IPv6 entwickelt, da IPv4 die Datenmengen allein nicht mehr bewältigen konnte.

Obwohl IPv4 mit seiner neueren Version zusätzlich im Internet besteht, wird wohl irgendwann alles auf IPv6 umgestellt werden. Da der Austausch alter IPv4-Geräte zu teuer und aufwendig wäre, wird IPv6 langsam dadurch eingeführt, indem ältere IPv4-Hardware durch neue ersetzt wird.

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IPv6 hat nicht nur das Angebot an IP-Adressen erhöht, sondern auch die vielen Mängel von IPv4 behoben. Mit IPv6 können Geräte gleichzeitig mit mehreren Netzwerken verbunden bleiben. Ermöglicht wird dies durch die Interoperabilität und die Konfigurationsmöglichkeiten, mit denen die Hardware automatisch mehrere IP-Adressen demselben Gerät zuweisen kann.

Die komplette Umstellung auf IPV6 wird kommen, allerdings dauert es bis ältere Technologien aussterben, und der Wechsel vollzieht sich nie so schnell, wie seine Unterstützer:innen es gern hätten. Es wird eine permanente Migration nach IPv6 geben, allerdings wird das noch Jahrzehnte dauern. Die Migration von IPv4 zu IPv6 schreitet also sehr langsam voran. Bis dahin sind die Netzbetreiber gefragt, Komparabilitätsprobleme zu umgehen und zu lösen.

FTTH und FTTR

Eine weitere Herausforderung bildet der Glasfaserausbau, zwar schreitet dieses stetig voran, endet jedoch dann oft am Gebäude (FTTB: „Fiber-To-The-Building“). Die Glasfaser-Leitung endet bei dieser Anschlussart im Gebäudeinneren, meist wird das Kabel in den Keller eingezogen. Zwar greift der Anschluss damit von der Verbindungsstelle bis zum Haus auf Glasfaser-Kabel zurück, im Hausinneren wird das Signal dann aber via Kupferkabel übertragen. Und darunter leidet die Bandbreite. Denn bei der Übertragung in die einzelnen Haushalte stören sich benachbarte Kupferleitungen gegenseitig, sodass Frequenzbereiche verloren gehen. Bei hohen Auslastungen in Mehrfamilienhäusern kommt es hier oft zu Komplikationen.

FTTH, „Fiber-To-The-Home” bildet daher den nächsten Schritt im Glasfaserausbau. FTTH wird in der Regel über die Glasfaser des Betreibers bis zum Haus vervollständigt, ohne dass ein Innennetzwerk erforderlich ist. Die Anwender:innen müssen dann das Innennetzwerk mithilfe von WLAN-Routern einrichten. FTTR, „Fiber-To-The-Room“ ist die Erweiterung des FTTH-basierten Heimnetzwerks und ist eine neue interne Netzwerktechnologie, die auf Glasfaserkommunikation basiert. Im Vergleich zu herkömmlichen Netzwerktechnologien und FTTH stellt die FTTR-Lösung dem Raum echte Gigabit-Bandbreite zur Verfügung und kann Smart-Home-Lösungen deutlich verbessern und Erweiterungen von Anwendungen ermöglichen.

Um den Anforderungen zukünftiger Dienste mit hoher Bandbreite gerecht zu werden, ist diese technologische Erweiterung beim Glasfaserausbau sinnvoll, denn Glasfaser ist flexibel, nicht oxidierend, nicht korrodierend und immun gegen elektromagnetische Störungen und die Bandbreite kann auf über 100 Gbit/s wachsen.

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Konnektivität in der Praxis

In der Praxis stellen die vielen Konnektivitätsmöglichkeiten die Hersteller allerdings auch vor einige Herausforderungen. Nicht jeder innovative Standard eignet sich für jede Anwendung oder ist für jedes Gerät praktikabel oder verfügbar. An vielen Stellen kommt es häufig zu Kompatibilitätsproblemen, weshalb Geräte oftmals mit mehreren Übertragungstechnologien ausgestattet sein müssten, beschreibt Dr. Bettina Horster, Vorstand VIVAI Software AG und eco Kompetenzgruppenleiterin IoT die aktuelle Lage in ihrem Vortrag. Eine Lösung für diese Probleme könnten aus ihrer Sicht 5G und 6G- Technologien sein.

Herstellerseitig formt sich die Forderung nach Vereinfachung und somit unkomplizierter und einheitlichen Möglichkeiten der Konnektivität, zumindest in Abhängigkeit der unterschiedlichen Anforderungen innerhalb verschiedener Branchen, ist ein einheitlicher Standard, wie z. B. MATTER durchaus sinnvoll.

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