12.09.2018

Gesetzesvorschlag zur Bekämpfung terroristischer Online-Inhalte: Starre Frist ist Symbolpolitik

Die EU-Kommission will im Kampf gegen terroristische Inhalte im Netz jetzt regulatorische Maßnahmen ergreifen und hat dazu am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag für eine Verordnung zur „Verhinderung der Verbreitung von terroristischen Inhalten online“ vorgestellt.

Die Regulierung der Löschung bestimmter illegaler Inhalte stellt aus Sicht des eco einen Paradigmenwechsel dar und ist insbesondere deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Plattformen-Anbieter in kurzer Zeit deutliche Fortschritte bei der Bekämpfung illegaler Inhalte erzielen konnten. Dies zeigt beispielsweise der aktuelle EU-Transparenzbericht ganz deutlich.

Der veröffentlichte Verordnungsentwurf wird hingegen kaum zu einer weiteren Verbesserung der Lage beitragen. Auch die Auswertung der Konsultation der EU-Kommission zeigt deutlich, dass über 82 Prozent der teilnehmenden Privatpersonen keine Notwendigkeit für neue Maßnahmen sehen, sondern für 90 Prozent die freie Meinungsäußerung Vorrang hat. Gerade in den letzten Jahren und Monaten haben die Unternehmen ihre Bemühungen im Kampf gegen illegale Online-Inhalte – und hier vor allem gegen Kinderpornografie und Terrorismus – massiv verstärkt.

Die EU-Kommission möchte nun aber ein starres Zeitfenster für die Löschung terroristischer Inhalte einführen: So sollen Plattformen nach behördlicher Anordnung verpflichtet sein, den genannten Inhalt innerhalb einer Stunde zu löschen. Ein festes Zeitfenster sei dabei reine Symbolpolitik und suggeriere, dass Behörden bislang vergeblich versuchen, terroristische Inhalte durch die Betreiber zeitnah löschen zu lassen. Das Gegenteil sei der Fall. Starre Zeitvorgaben dürften ausschließlich den Effekt haben, vor allem kleinere Unternehmen vor unüberwindbare Probleme zu stellen.

eco plädiert deshalb für eine Fortführung des bisher eingeschlagenen Wegs, für ein gesamtgesellschaftliches Miteinander im Kampf gegen illegale Online-Inhalte. Anstatt neue Gesetz zu schaffen, ist eine konsequente Strafverfolgung der Schlüssel, um nachhaltig Straftaten im Internet zu bekämpfen. Der Staat muss durch effektive Strafverfolgung der Täter die Ursache des Problems bekämpfen.

Wesentliche Punkte:

  • Der Entwurf definiert „terroristische Inhalte“ als Informationen, die dazu dienen, die Begehung terroristischer Straftaten anzuregen und zu verherrlichen, den Beitrag zu terroristischen Straftaten zu fördern und Anweisungen dazu zu geben, terroristische Straftaten zu begehen sowie die Teilnahme an terroristischen Gruppen zu fördern.
  • Zukünftig soll es die Verpflichtung geben, terroristische Inhalte binnen einer Stunde zu entfernen oder den Zugang dazu zu verhindern. Die Frist beginnt zu laufen, nachdem eine zuständige Behörde (nach einer Verwaltungs- oder einer gerichtlichen Entscheidung) den Diensteanbieter zur Löschung aufgefordert hat.
  • Darüber hinaus harmonisiert die Regelung die Mindestanforderungen für von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und EU-Behörden (wie Europol) übermittelte Mitteilungen an die Provider über möglicherweise terroristische Inhalte, die diese dann nach ihren jeweiligen Bedingungen bewerten. Derartige Mitteilungen gibt es in der Praxis aber heute schon.
  • Die Verordnung soll Hosting-Service-Provider verpflichten, wo es nötig ist, „verhältnismäßige proaktive Maßnahmen zu ergreifen“ und terroristisches Material von ihren Servern zu entfernen – dies schließt die „Bereitstellung automatischer Erkennungstools“ Diese Maßnahmen sollen zwar einerseits laut Vorschlag nicht zu einer grundsätzlichen Überwachungspflicht führen – in Erwägungsgrund 19 heißt es trotzdem, dass die zuständigen Behörden im Einzelfall möglicherweise von dem in Artikel 15 der E-Commerce-Richtlinie festgelegten Ansatz „abweichen“ könnten.
  • Beispiele für diese Maßnahmen sind etwa die Verhinderung von erneuten Uploads bereits entfernter terroristischer Inhalte oder die Implementierung von Instrumenten zur Erkennung neuer terroristischer Inhalte. Hierbei sollen durch Aufsicht und die menschliche Kontrolle sichergestellt werden, dass legale Inhalte nicht entfernt werden.
  • Der Vorschlag sieht außerdem vor, dass Anbieter von Hosting-Diensten terroristische Inhalte, die entfernt wurden, für einen Zeitraum von 6 Monaten aufbewahren.
  • Die Maßnahmen, die die Verbreitung terroristischer Inhalte eindämmen sollen, werden von Sicherheitsvorkehrungen begleitet, die die Einhaltung der Bürgerrechte sicherstellen sollen.  Hierzu sieht der Vorschlag Verpflichtungen zur Einführung von Abhilfemaßnahmen und Beschwerdemechanismen vor, damit die Nutzer die Entfernung ihrer Inhalte anfechten können. Außerdem sollen Transparenzpflichten für die Hosting-Diensteanbieter eingeführt werden.
Brussels