04.06.2018

Innenminister-Plan zur Löschung terroristischer Inhalte ist realitätsfern und fördert wahllose Löschkultur im Internet

In einem Anfang Juni bekannt gewordenen Brief an die EU-Kommission haben die Innenminister von Deutschland und Frankreich eine gesetzliche Regelung gefordert, um gegen Terrorpropaganda auf Online-Plattformen vorzugehen. Das gemeinsame Schreiben von Horst Seehofer und Gérard Collomb war bereits Mitte April an die EU-Kommission versandt, jedoch erst Anfang Juni von dem Blog netzpolitik.org öffentlich gemacht worden. Ginge es nach den Vorstellungen der Innenminister, sollten Plattformanbieter verpflichtend „rechtswidrige terroristische Inhalte“ innerhalb einer Stunde entfernen müssen. Kleinere Plattformen sollten hierbei von den Großen unterstützt werden – und nach und nach soll der Umgang mit Terrorismus online auf Kinderpornographie und dann auf „andere rechtswidrige Inhalte“ erweitert werden.

Für eco – Verband der Internetwirtschaft ist der Vorstoß nicht nachvollziehbar, insbesondere deshalb, weil die Plattformen-Anbieter in kurzer Zeit deutliche Fortschritte bei der Bekämpfung illegaler Inhalte erzielen konnten. Dies zeigt beispielsweise der EU-Transparenzbericht. Die angestrebte gesetzliche Verpflichtung könnte zudem nicht realistisch umgesetzt werden. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auf europäischer Ebene haben wir die E-Commerce-Richtlinie, die festlegt, nach welchen Grundprinzipien Provider für Inhalte haftbar gemacht werden können. Nach bestehender Rechtslage müssen rechtswidrige Inhalte schon heute unverzüglich gelöscht werden, sobald Plattformen-Betreiber Kenntnis davon erlangen, insofern ist eine Rechtsänderung gar nicht erforderlich.

Auch die Auswirkungen solcher gesetzlichen Verpflichtungen schätzt der eco-Vorstandsvorsitzende, Oliver Süme als überaus problematisch ein: „Die Pläne der Innenminister bedeuten eine Abkehr von den Grundsätzen der E-Commerce-Richtlinie hin zu einer proaktiven Überprüfung sämtlicher Inhalte durch die Provider. Die Konsequenz einer solchen Politik wird massives Overblocking sein, um den angedrohten Sanktionen aus dem Weg zu gehen und die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen.“

Kleinere Plattformen-Anbieter würden in die Abhängigkeit gezwungen

Auch die Erwartung, dass kleinere Plattformen derartigen Verpflichtungen mit Hilfe der großen Unternehmen nachkommen könnten, schätzt eco als absolut unrealistisch ein.
„Dafür fehlen vielen schlicht die technischen Voraussetzungen – selbst wenn sich die Großen uneingeschränkt zur Weitergabe ihrer Technologien entscheiden sollten“, so Süme. Außerdem würde man nahezu allen europäischen Plattformen von ein paar wenigen großen amerikanischen Unternehmen abhängig machen: „Ich bezweifle, dass sich der deutsche und der französische Innenminister über diese Konsequenz im Klaren sind.“

Konsequente Strafverfolgung essentiell bei der Bekämpfung terroristischer Inhalte

Anstatt neue Gesetz zu schaffen, ist eine konsequente Strafverfolgung der Schlüssel, um nachhaltig Straftaten im Internet zu bekämpfen. Der Staat muss durch effektive Strafverfolgung der Täter die Ursache des Problems bekämpfen: „Wir brauchen mehr Staatsanwälte und Richter, damit der Staat seinem Strafverfolgungsauftrag gerecht werden kann. Das kann nicht zunehmend auf die private Hand abgewälzt werden, insbesondere nicht bei Terrorismus!“ so Süme.

Auch die geforderte Ausweitung der restriktiven Regelungen auf „andere rechtswidrige Inhalte“ beurteilt der Verband der Internetwirtschaft äußerst kritisch. „Das würde einen Paradigmenwechsel in der Haftung der Provider bedeuten – weg vom Prinzip „notice and action“, hin zu proaktiven Maßnahmen, verbindlichen Uploadfiltern und einer Zensurinfrastruktur.“ Damit gefährdet der Vorstoß das Providerprivileg und ist ein direkter Angriff auf die Meinungsfreiheit aller, mahnt der Verband der Internetwirtschaft.

 

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