22.09.2014

Interview mit Carolin Silbernagl – new gTLDs im Fokus

Folge 5 mit der Geschäftsführerin der TLD dotHIV Registry GmbH aus Berlin

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Lars Steffen: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Interviewreihe „new gTLDs im Fokus“. Ich begrüße heute Carolin Silbernagl von .hiv – Hallo Frau Silbernagl!


Carolin Silbernagl: Hallo, Herr Steffen!

Lars Steffen: Einmal ganz kurz in drei Sätzen: .hiv, wer seid Ihr, was macht Ihr? Der Name sagt es eigentlich schon, aber trotzdem bitte noch einmal für die Leute, die Euch noch nicht kennen.

Carolin Silbernagl: Sehr gerne. .HIV ist eine sehr besondere TLD. Wir sind weltweit die einzigen, die eine Top-Level-Domain für einen rein sozialen Zweck einsetzen. .hiv-Domains sind digitale Rote Aids-Schleifen. Sie sollen dazu führen, dem Kampf gegen Aids international wieder mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Außerdem sollen sie dazu beitragen, neue finanzielle Unterstützung zu generieren.

Lars Steffen: Okay. Gibt es dazu schon einen innovativen Business Case, den man nennen kann?

Carolin Silbernagl: Ich denke ja. Das Besondere und Einzigartige unserer Domains ist das integrierte Mikrospenden-Programm. Jeder Klick auf eine .hiv-Domain löst eine kleine Spende an HIV-Projekte aus. So wird aus dem Seitenbesuch am Ende eine gute Tat. Für den Domainkunden liegt der Mehrwert der Domains hauptsächlich in dem guten Gefühl der Internet User, wenn sie auf den .hiv-Seiten surfen. Dafür muss er jährlich rund 160 Euro Registrierungsgebühr zahlen. Die Mikrospenden finanziert der gemeinnützige Verein – der als Registry hinter .hiv steht – aus den Überschüssen des Domainvertriebs. Am einfachsten wird eine .hiv-Domain genutzt, indem man den Internet-Usern eine zweite Eingangstür zum selben Internet-Inhalt bietet: Wenn der E-Commerce-Shop zusätzlich zu seiner .de-Domain die neue .hiv-Domain schaltet, kann der Internet-User aussuchen, über welche Domain er den Shop betritt. Entscheidet er sich für die .hiv-Domain, tut er damit etwas Gutes und kommt besser gelaunt auf die Website. Für Firmen oder Organisationen, die im Bereich HIV und AIDS spezialisiert sind, ist die Domain gleichzeitig ein Zeichen für Expertise.

Lars Steffen: Danke. Sie haben einige Vorteile und die Zielgruppe für die .hiv-Domains genannt. Was denkt Ihr: Wo steht Ihr in einem Jahr und wie viele .hiv-Domains werden registriert?

Carolin Silbernagl: Unser Ziel ist es, nach einem Jahr Geschäftsbetrieb bei rund 10.000 Registrierungen zu stehen. Dies würde bedeuten, dass wir von den Domain-Einkünften rund eine Millionen Euro spenden könnten. Damit wären wir ein gutes Stück vorangekommen.

Lars Steffen: Gibt es im .hiv-Kontext Probleme mit der Universal Acceptance und wenn ja, geht Ihr diese aktiv an?

Carolin Silbernagl: Wir haben weniger Probleme als andere new gTLD Registries, weil unsere TLD drei Buchstaben hat. Das ist relativ nah dran an vielen Grundeinstellungen, die Programme oder Onlinewebseiten haben. Ich habe das Gefühl, dass es ein bisschen besser wird. Zum Beispiel gab es anfangs bei Twitter oder Facebook große Probleme mit der URL-Erkennung. Das funktioniert inzwischen einwandfrei. Aber manche Versionen des Safari Browser öffnen die .hiv nicht direkt. Dann kontaktieren wir direkt den IT-Support. Dieses Thema belastet durchaus die Markteinführung der neuen TLDs.

Lars Steffen: Ganz unabhängig von .hiv: Was macht eine erfolgreiche neue TLD aus Ihrer Sicht aus?

Carolin Silbernagl: Das ist allgemein schwer zu sagen. Über den Erfolg entscheiden viele unterschiedliche Dinge. Gibt es einen besonderen Produktnutzen, wie bei uns das Mikrospendenprogramm? Wie gut ist das Marketing dahinter? Wie IT-affin ist die Zielgruppe? Top-Level-Domains sind nach wie vor ein spezielles Thema, das man vielen Leuten erst einmal erklären muss. Der Erfolg jeder einzelnen TLD hängt viel von der investierten Liebe und dem Sachverstand der Registry ab.

Lars Steffen: Das Stichwort „Marketing“, ist eben schon gefallen. Werden von Euch Aktionen und Maßnahmen durchgeführt, um auf diese neue TLD hinzuweisen, so dass der User von der Existenz, der Funktionalität und den Vorteilen erfährt?

Carolin Silbernagl: Auf jeden Fall! Was wir mit .hiv launchen ist viel mehr als ein neuer Domainname. Es ist ein neuartiges Kommunikationsprodukt für die digitale Welt. Wir müssen das Nutzungskonzept an die Kunden herantragen und auch ein Stück weit erklären. Daher stehen bei uns Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen in den nächsten Monaten auf Position eins der Prioritätenliste.
Wir sind viel auf Konferenzen wie der TEDxBerlin oder dem Vision Summit und haben dort tolle Speaker-Gelegenheiten. Wir starten im September zwei große Online-Kampagnen mit unseren Partneragenturen. Zum einen mit unserem Gründungspartner Think, einer Kreativagentur aus Hamburg. Zum anderen mit der Innovationsagentur Hyve aus München. Parallel dazu leisten wir viel Pressearbeit und waren sehr glücklich über die zum Launch erzeugte Aufmerksamkeit. Nationale Medien wie der Stern, Die Zeit, heise.de, Gründerszene und die TAZ haben inzwischen viel von unserer Arbeit aufgegriffen. Das direkte Marketing, beispielsweise die Pharmaindustrie anzuschreiben, gehört inzwischen zu unserem täglich Brot.

Lars Steffen: Das ist eine ganze Menge. Eine nächste allgemeine Frage: Werden die neuen TLDs ein Erfolg? Wenn ja, welche und warum?

Carolin Silbernagl: Das kann man nicht über den Kamm scheren. Es hängt sehr stark von jeder einzelnen TLD ab. Solche, die nah an im Markt etablierten Konzepten sind, haben es leichter. So kann sich .co als Folge-TLD von .com dank Marketing gut etablieren.

Ein weiteres Beispiel sind die City-TLDs oder die geoTLDs für die Regionen und Städte, hinter denen eine starke Identität steht, wie z.B. .berlin, .nyc, oder .london. Das kann gut funktionieren, weil die Kunden das Konzept der City-TLDs schon sehr gut kennen. Bei allen anderen Domains liegt es an uns, ob wir das zum Erfolgt machen. Domains die einen Mehrwert bieten, haben eine gute Positionierung. Selbstläufer gibt es nicht mehr. Man muss den neuen gTLDs Zeit geben, sich zu entwickeln. Wir launchen neue Produkte, die muss man verkaufen und an den Markt bringen. Das geht nicht von einem Tag auf den andern. Aber ich denke in einem Jahr sehen wir weiter.

Lars Steffen: Das ist doch ein schöner Abschluss. Carolin Silbernagl, vielen herzlichen Dank für die Einschätzung und Einblicke bei .hiv.

Carolin Silbernagl: Herzlichen Dank für das Interview.

Lars Steffen: Auf Wiedersehen!

Carolin Silbernagl: Tschüss!