eco
28.06.2021

„Leistungsfähige und sichere digitale Infrastrukturen sind eine Grundvoraussetzung für Smart-City-Ökosysteme“

Die fortschreitende Digitalisierung lässt zahlreiche innovative Geschäftsmodelle mit großen Potenzialen für lebenswertere Städte entstehen, zeigt die aktuelle Studie „Der Smart-City-Markt in Deutschland, 2021-2026“ von eco und Arthur D. Little. Der eco Vorstandsvorsitzende Oliver Süme fordert im Interview von der öffentlichen Verwaltung mehr Engagement, um diese Potenziale zu heben.

Herr Süme, Sie leben und arbeiten in Hamburg, das ja häufig als eine der Vorreiterstädte beim Thema Smart City genannt wird – nehmen Sie dort Entwicklungen und Trends, die in der Studie beschrieben werden, tatsächlich auch schon wahr?

Ja, in der Tat nimmt Hamburg in diversen Studien und Rankings Spitzenpositionen als besonders smarte Stadt ein. Man merkt, dass sich vor allem in den letzten Jahren viel im Mobilitäts- und Verkehrsbereich getan hat. Das ist ja auch einer der Trendbereiche, den unsere Smart City Studie identifiziert hat. Mit HVV Switch verfügt Hamburg beispielsweise über eine ÖPNV-App, die es erlaubt, die schnellste Route aus allen zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln inklusive Sharing-Angeboten zu wählen und Tickets zu buchen. Auch bei der Bürgerbeteiligung hat sich viel getan, damit die Bürger:innen Hamburgs sich besonders gut digital informieren und mitreden können. Beispielsweise gibt es ein umfangreiches Transparenzportal, die Bürgerbeteiligungsplattform und die Möglichkeit, die Debatten der Hamburgischen Bürgerschaft live aus dem Plenum zu streamen. Ein weiteres gelungenes Beispiel für eine innovative Smart City Lösung ist zudem die Tiefenvermessung von Hafenbecken und Elbe mit autonomen Messfahrzeugen.

Welche politischen Rahmenbedingungen sind aus Ihrer Sicht nötig, um Smart-City-Projekte schneller und nachhaltiger umzusetzen?

Die voranschreitende Digitalisierung, die damit einhergehende Verfügbarkeit und zunehmende Bedeutung von Daten lassen zahlreiche innovative Geschäftsmodelle mit großen Potenzialen für lebenswertere Städte entstehen. Das gilt auch für die wachsenden Herausforderungen im Bereich Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, sowie nicht zuletzt die anhaltende Corona-Pandemie. Um diese Potenziale zu heben, braucht es vor allem leistungsfähige und sichere digitale Infrastrukturen, eine klare Governance zum Umgang mit Daten, sowie starke Kooperationen zwischen Unternehmen und Verwaltungen und ganzheitliche Konzepte.

Müssen die öffentliche Verwaltung, Ämter und Behörden nicht viel stärker als bisher eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung übernehmen – Smart Government first?

Ja, das ist auch eine zentrale Forderung, die wir in unserer Internetpolitischen Agenda formuliert haben, welche sich an die neue Bundesregierung richtet, die wir ja im September wählen. Die Corona-Pandemie hat hier bestehende Defizite besonders deutlich gemacht und gezeigt, dass Staat und Politik digitaler werden müssen, um ein höheres Maß an Resilienz zu entwickeln. Die öffentliche Verwaltung, Ämter und Behörden müssen eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung übernehmen. Die Ergänzung der bestehenden Angebote durch digitale Möglichkeiten und Konzepte und die Digitalisierung ganzer Verwaltungsakte sind hierbei zentral. Auch ermöglichen digitale Lösungen eine stärkere und breitere Partizipations- und Beteiligungsmöglichkeit für Bürger:innen, so dass neben der Verwaltung auch die Politik von neuen und offenen Formaten profitieren kann. Staat und Verwaltung sollten über Ausschreibungs- und Vergabeprozesse und eigene Anwendungen eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung in Deutschland einnehmen und auch als Nachfrager Impulse setzen.

Welche Rolle spielen leistungsfähige digitale Infrastrukturen für das Entstehen eines digitalen Ökosystems und für Smart Cities und wie ist der Standort Deutschland hier aufgestellt?

Leistungsfähige und vor allem auch sichere digitale Infrastrukturen sind eine Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Smart City Ökosystem. Rechenzentren spielen hier eine aktuell häufig noch übersehene Schlüsselrolle. Rechenzentren hierzulande zählen im weltweiten Vergleich zu den energieeffizientesten. Ihr Energieverbrauch ist in den vergangenen zehn Jahren pro Recheneinheit um das zehnfache gesunken. Bereits seit fünf Jahren sind die CO2-Emissionen europäischer Data Center rückläufig. Eine politische Förderung der Nutzung der in Rechenzentren entstehenden Abwärme und deren smarte Einbindung in Stadtplanung und kommunale Wärmeversorgungskonzepte könnte die Energiebilanz von Rechenzentren und Städten weiter verbessern. Damit bildet die Branche einen zentralen Baustein für die nachhaltige und klimafreundliche Smart City. Auch die europäische Cloud und Dateninfrastruktur GAIA-X dürfte sich bald schon auch für Städte und Kommunen zur wichtigen Grundlage für erfolgreiche Smart City Plattformen entwickeln.

Herr Süme, vielen Dank für das Interview.

RA Oliver J. Süme - farbe