17.06.2019

Retourenmanagement im Onlinehandel: 3 Fragen an Professor Dr. Georg Rainer Hofmann

Die Auseinandersetzung um die Wegwerfgesellschaft nimmt zu. Nach Diskussionen um Food Waste (Lebensmittelverschwendung) und die Legalisierung des „Containerns“ (die Verwendung – „Rettung“ – weggeworfener Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten) rückt aktuell der Onlinehandel in den Fokus. Der Vorwurf: Online-Händler vernichten eine zu große Menge retournierter Waren. Wir haben mit Professor Dr. Georg Rainer Hofmann, Kompetenzgruppenleiter E-Commerce beim eco, darüber gesprochen, wie es um das Retourenmanagement im Onlinehandel bestellt ist.

 

Herr Professor Hofmann, die angeblich massive Vernichtung retournierter Waren durch Online-Händler hat aktuell eine Diskussion um das Warenretouren-Management im Onlinehandel ausgelöst. Die Grünen Fraktionssprecherin Katrin Göring-Eckhardt sprach in diesem Zusammenhang gar von der „Perversion der Wegwerfgesellschaft“. Uns interessiert zunächst einmal die Frage: Wie hoch sind denn die Retourquoten im Onlinehandel tatsächlich?

Professor Hofmann: Tatsächlich machen die deutschen Verbraucher von ihrem Recht Artikel zu retournieren, nur moderaten Gebrauch. Die Retourenquoten liegen bei Online-Händlern bei etwa 10 Prozent oder sogar deutlich darunter, je nach Art der Ware. Das bestätigen auch Studien wie beispielweise eine Untersuchung des EHI Retail Instituts oder der Universität Bamberg. Retouren gehören seit eh und je zum Handel und sind kein internetspezifisches Problem. Verbraucherfreundliche Gesetze haben durchaus eine Umtausch-Kultur begünstigt. Die Einführung des Rückgaberechts im Fernabsatzgesetz hat zudem zur steigenden Popularität von Internet-Bestellungen beigetragen. Viele Online-Händler nutzen das Rückgaberecht als Werbeversprechen und als Verkaufsargument.

 

Wie gehen Händler denn mit Warenretouren im Onlinehandel um?

Professor Hofmann: Zunächst ist wichtig festzuhalten: Kein Händler vernichtet Ware freiwillig – denn das wäre ökonomisch ein ziemlicher Unfug. Der Regelfall im Retourenmanagement sieht so aus: Ein Kunde schickt eine Ware zurück. Die Ware geht in die interne Qualitätsüberprüfung und in der Regel im Anschluss zurück in den Verkauf. Das gilt im Übrigen auch für den Großteil zurückgeschickter beschädigter Waren. Diese werden überholt oder instandgesetzt und als B-Ware verkauft. Auch dafür hat sich ein florierender Markt etabliert – beispielsweise durch Restposten-Händler oder Online-Outlet-Center. In der Müllpresse landet demnach nur, was für die üblichen Verwertungsketten nicht mehr infrage kommt oder aus anderen Gründen nicht mehr veräußert werden kann. Warenvernichtungen sind sowohl online wie im stationären Handel immer die letzte Wahl.

 

Was halten Sie von politischen Bestrebungen Online-Händlern die Warenvernichtung per Gesetz zu verbieten?

Professor Hofmann: Das Schema „Skandalisierung eines Phänomens – Ruf nach neuen Gesetzen und Verboten“ ist mit Vorsicht zu sehen. Es ist ja viel leichter zu sagen, was man nicht will, statt zu sagen, wie die Situation konstruktiv neu gestaltet werden kann. Die Ablehnung der Zeitumstellung war eine Sache, aber zu sagen, ob künftig immer Sommer- oder Winterzeit gelten soll, ist eine ganz andere! Ein gesetzliches Vernichtungsverbot für neuwertige und gebrauchsfähige Ware ist schon deshalb wenig sinnvoll, weil die Händler sowieso ein großes Interesse daran haben, eine werthaltige Ware zu verkaufen. Würde man aber zur Reduktion der Retourenquote das Rückgaberecht der Verbraucher beschränken, so wäre das einerseits wenig verbraucherfreundlich, und würde andererseits den Abfall in den Bereich des privaten Hausmülls verlagern. Warenvernichtung per Gesetz unterbinden zu wollen, stellt nicht zuletzt einen unnötigen Eingriff in einen funktionierenden Markt dar.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Hofmann.

 

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