24.09.2019

„Wir wollen neue Technologiefelder und Märkte erschließen“

Mit bis zu einer Milliarde Euro soll die Agentur für Sprunginnovationen der Bundesrepublik Deutschland (SprinD) ausgestattet werden. Gründungsdirektor ist Rafael Laguna, der beim eco://kongress die Eröffnungskeynote zum Thema „Visionen für digitalisierte Lebens- und Arbeitswelten“ halten wird. Wir haben ihn dazu vorab interviewt.

Herr Laguna, welche Faktoren werden Ihrer Meinung nach die künftigen digitalisierten Lebens- und Arbeitswelten wesentlich beeinflussen?

Die Digitalisierung verändert alles. Wir müssen uns nun fragen: „Wie soll diese neue Welt aussehen?“ Die Weichen werden jetzt gestellt. Werden Nationalstaaten überhaupt noch eine Chance haben, oder fallen wir in den „Cooperatism“ oder in eine digitale Diktatur. Wir müssen den europäisch-humanistischen Weg der Digitalisierung definieren und umsetzen, sonst verlieren wir unser Wertesystem.

Welche Rolle wird in der Welt von morgen künstliche Intelligenz (KI) spielen – und in welcher Form?

Eine echte „künstliche Intelligenz“, also eine allgemein befähigte wie unser Gehirn, haben wir noch lange nicht. Wir haben sehr leistungsfähige statistische Methoden, viele Daten, schnelle Matritzenverarbeitung, zusammen am besten als Machine-Learning beschrieben. Diese schafft es mittlerweile, erstaunliche spezialisierte Dinge zu tun, die unsere Dienste und Geräte inkrementell verbessern.

Einen wirklichen Ersatz für das menschliche Gehirn haben wir noch lange nicht, vielleicht auch nicht in absehbarer Zeit. Aus dem universalen Küchenroboter-Konzept sind am Ende auch einzelne, smarte, nützliche Maschinen wie die Spülmaschine entstanden. Das ist schon ziemlich gut und so ähnlich wird es wohl mit Machine Learning laufen.

Sie sind Gründungsdirektor der Agentur für Sprunginnovationen. Worin besteht dort Ihre Aufgabe?

Wir wollen in Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen die Ideen finden und fördern, die das Potenzial haben, ganze Märkte umzukrempeln. Das Fördern geschieht im Rahmen von sogenannten „Projekt-GmbHs“ oder mit Programm-Management. Die ErfinderInnen bekommen Zeit, Geld, Zugang zu Forschung, Politik und Wirtschaft und Inkubator-Dienste, um ihre Ideen zur Marktreife zu bringen.

Im Gegensatz zu Venture-Capital-Fonds denken wir volkswirtschaftlicher. Wir sind nicht auf Profitmaximierung getrimmt, sondern wollen neue Technologiefelder und Märkte erschließen – immer mit der Maßgabe, dass die Wertschöpfung in Deutschland und Europa erfolgen soll. Es kann sich aber auch um soziale Innovationen handeln, oder einfach nur um Programm-Management, um eine Umwälzung im Markt politisch, wirtschaftlich und wissenschaftlich zu beschleunigen. Immer alles im Sinne der Verbesserung der Volkswirtschaft und somit des Lebens jedes Einzelnen.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine echte Sprunginnovation aus?

Eine Sprunginnovation ist etwas, das unser Leben verändert, Märkte umbricht und große neue Chancen (und manchmal auch Risiken) mit sich bringt. Das Auto war eine solche Sprunginnovation – schauen Sie sich einmal Bilder von Städten vorher und nachher an. Ganze Branchen sind verschwunden, die Pferdepopulation hat dramatisch abgenommen, unser Lebensstandard drastisch zugenommen, der Individualverkehr hat uns neue Freiheiten gegeben, viele neue Industrien und letztlich erheblichen Wohlstand erzeugt.

Es können aber auch neue Geschäftsmodelle sein, ermöglicht durch Technologiedurchdringung, wie beispielsweise die Plattform-Modelle, die wir heute sehen – Uber, AirBnB, Spotify, um ein paar zu nennen. Diese wurden ermöglicht durch GPS, Smartphone, Big Data – auch alles Sprunginnovationen.

Was kann hierzulande verbessert werden, um wieder große Innovationen – vor allem in der digitalen Welt – hervorzubringen?

Es besteht kein Mangel an guten Ideen und schlauen Köpfen in Deutschland. Allerdings müssen wir es den Erfindern schmackhafter und einfacher machen, eine Innovation in einen wirtschaftlichen Erfolg zu überführen.

Das Wissenschaftssystem leistet hervorragende Grundlagenforschung, ist jedoch nicht darauf ausgerichtet, diese in wirtschaftlich lohnende Resultate zu überführen. Wenn wir mehr dazu motivieren und und es verstärkt unterstützen, setzen wir viel Potenzial frei.

Auch die Industrie geht oft keine großen Risiken ein, da der bisherige Weg der inkrementellen Optimierung bestehender Technologien sehr erfolgreich und die Grundlage unseres Wohlstandes ist. Allerdings werden so offensichtlich keine Sprunginnovationen geschaffen. Ich bin überzeugt, dass es auch hier ein enormes Potenzial für disruptive Innovationen gibt, welches wir mit der Agentur ans Licht bringen möchten.

Und zu guter Letzt: Wenn in Deutschland mal eine disruptive Innovation produziert wird, so findet die Monetarisierung meist nicht hier statt. Unter anderem, weil erfolgreiche Start-ups in den späteren Phasen hierzulande keine Anschlussfinanzierung finden können und „weggekauft“ werden. Wenn wir die Wachstumsfinanzierung verbessern könnten, würden wir die Früchte der Erfindungen dieser Unternehmen besser in Deutschland und Europa ernten können.

Rafael Laguna ist Gründungsdirektor von SprinD, der Agentur für Sprunginnovationen der Bundesrepublik Deutschland, die in den kommenden zehn Jahren mit bis zu einer Milliarde Euro ausgestattet werden soll. Mit ihr soll ein bisher für Deutschland einmaliger innovationspolitischer Ansatz zur Förderung von disruptiven Innovationen umgesetzt werden. Zudem ist Rafael Laguna Mitgründer und CEO der Open-Xchange AG, die mit 270 Mitarbeitern E-Mail- und Produktivitäts-Software für Unternehmen und Privatanwender entwickelt.

Rafael Laguna