29.10.2018

„Wir können es uns nicht länger leisten, auf die weiblichen Fachkräfte zu verzichten“

Das Thema New Work ist längst mehr als ein Trend. Die Transformation der Arbeitswelt nimmt weltweit immer mehr Fahrt auf und läutet eine Ära neuer Arbeitsorganisation ein. Neue Technologien, die Globalisierung und der demografische Wandel verändern die Arbeitswelt drastisch. Lucia Falkenberg, Chief People Officer (CPO) bei eco und Leiterin der eco Kompetenzgruppe New Work, erklärt im Interview, wo zukünftige Potenziale liegen und warum eco am 6. November zum großen New Work Check einlädt.

Frau Falkenberg, warum lädt eco am 6. November zum großen New Work Check ein?

Was und wie wir in den kommenden Jahren arbeiten werden, betrifft uns alle! Der digitale Wandel bietet uns ganz neue innovative Chancen und Potenziale, beispielsweise für eine flexiblere Gestaltung unseres Arbeitsalltags. 

Die neue Arbeitswelt fasziniert uns, löst aber auch bisweilen Skepsis und Verunsicherungen aus. Am 6. November wollen wir die Schlagworte Digitales Arbeiten, New Work oder Arbeiten 4.0 mit Leben füllen mit vielen spannenden Gästen aus Politik und Wirtschaft zum Thema New Work.

Wir wollen herausfinden, welche Rahmenbedingungen Wirtschaft und Politik schaffen müssen, um die Transformation der Arbeitswelt voranzutreiben und wie Diversity in Unternehmen zu mehr Vielfalt, Teilhabe und Gleichstellung führen kann. Wir freuen uns, dass Staatsministerin Dorothee Bär und Staatssekretär Björn Böhning die Veranstaltung mit Impulsen anreichern.

Frau Falkenberg, wo schlummern Ihrer Erfahrung nach die größten Potenziale bei der Digitalisierung der Arbeitswelt?

Die Digitalisierung ermöglicht es Beschäftigten, ihre Arbeit zeitlich und räumlich flexibler zu gestalten. Dadurch haben sie bessere Chancen, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren. So eröffnen sich auch neue Perspektiven für Bewerbergruppen, die es bislang wegen privater Rahmenbedingungen – beispielsweise wegen Kinderbetreuung oder Pflege – schwer hatten am Arbeitsmarkt.

Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten größtmögliche Gestaltungsspielräume behalten, um einen individuellen Lebensentwurf mit wirtschaftlichen Erfordernissen sinnvoll zu vereinbaren.

Es kann nun endlich gelingen, die vielen hochqualifizierten Frauen besser in die Arbeitswelt zu integrieren und neue Karrieremodelle zu etablieren – eine Chance, die wir auch wegen des Fachkräftemangels endlich nutzen sollten.

Wie sehen Ihrer Ansicht nach optimale Arbeitsbedingungen aus, um die besten und klügsten Köpfe zu gewinnen?

Dafür sind gleich mehrere Voraussetzungen notwendig. So ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung wichtig, etwa im Rahmen betrieblicher Weiterbildung. Dazu braucht es Rahmenbedingungen, die beides ermöglichen: beruflichen Erfolg und ein erfüllendes Privatleben.

Zusätzlich fordern sie Arbeitszeitmodelle wie Brückenteilzeit, die auch Spielraum für ihre individuelle Lebensplanung lassen: angefangen von Reisen bis hin zur Familiengründung.

Der Schlüssel liegt vor allem in einer modernen Unternehmenskultur auf Augenhöhe. Diese fördert eine ergebnisorientierte Arbeitsweise und bietet Gestaltungsraum für diejenigen, die sich mit ihren Ideen aktiv einbringen möchten.

Welche Rolle wird künftig die „Diversity“ in Unternehmen spielen?

Wegen des anhaltenden Fachkräftemangels werden wir künftig in bunteren Teams arbeiten. Wir halten deshalb den aktuellen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz für einen guten Schritt in die richtige Richtung. Es kann Unternehmen künftig die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte erleichtern.

Am DE-CIX, dem führenden Betreiber von Internetknoten, arbeiten zum Beispiel heute bereits Kollegen aus zwanzig verschiedenen Nationen. In der männerdominierten IT-Welt wird meiner Erfahrung nach der Ruf nach mehr Kolleginnen immer lauter. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gemischte Teams innovativer arbeiten und die Qualität der Teamarbeit steigt, wenn beide Geschlechter vertreten sind.

Wir können es uns nicht länger leisten, auf weibliche Fachkräfte zu verzichten. Insbesondere mit Blick auf die Internetwirtschaft wären mehr Frauen in Fach- und vor allem auch Führungspositionen wünschenswert.

Gegenwärtig steht dem Fachkräftemangel eine Generation hochqualifizierter Frauen gegenüber, deren Potenzial es zu nutzen gilt. Kurt Tucholsky hat schon in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts gesagt: „Kein Erfolg ohne Frauen.“

Wie kann es gelingen, dass mehr Frauen in Fach- und Führungspositionen in der Internetwirtschaft arbeiten?

Das beginnt schon damit, Mädchen für MINT-Themen zu begeistern. Wir sollten uns von überholten Dogmen verabschieden und Lehrinhalte anbieten, die Mädchen Spaß machen – sie interessieren sich eher für konkrete Anwendungen von Technik.

Wir benötigen mehr Lehrerinnen und Professorinnen, mit denen sich auch junge Mädchen identifizieren können. Mehr weibliche Netzwerke, Mentoren-Programme und immer mehr männliche Kollegen, die Diversity bewusst fördern, schaffen gute Voraussetzungen.

Und letztendlich wird es auch helfen, Vorbilder und Beispiele weiblicher Karrieren in der Internetwirtschaft einem breiten Publikum zugänglich zu machen – so wie bei unserer Veranstaltung am 6. November in Berlin.

Lucia Falkenberg