12.03.2013

„Rechteinhaber – Verbraucher – Wirtschaft im netzpolitischen Dreieck?“: Bericht vom eco MMR Kongress

Wie vereinbart man die Interessen von Bürgern, Internetwirtschaft undRechteverwertungs-Industrie? Dies war die Leitfrage des eco MMR Kongresses 2013.

Im Quadriga Forum am Werderschen Markt gingen Experten aus der Wirtschaft ebenso wie Bundes- und Europapolitik dieser Frage nach. Die Antworten werden Wirtschaft und Gesellschaft unseres Landes inZukunft mitprägen – diese hohe Relevanz spiegelte sich bereits in der Schirmherrschaft durch Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich wider.

Der Minister war zugleich der erste Redner nach der Eröffnung des Kongresses durch eco-Vorstand Prof. Michael Rotert und MMR-Chefredakteurin Anke Zimmer-Helfrich. Friedrich gab einen Überblicküber die Vielzahl an netzbezogenen Themen, die sein Haus beschäftigen. Zentral sind dabei das IT-Sicherheitsgesetz sowie die Mitarbeit an der europäischen Datenschutz-Grundverordnung.

Das IT-Sicherheitsgesetz soll drei Punkte gewährleisten: Es soll branchenspezifische Sicherheitsstandards für die Betreiber kritischer Infrastrukturen schaffen, wobei die Branchen selbst an derFestlegung des notwendigen Sicherheitsniveaus mitarbeiten. Weitere Belastungen bereits regulierter Branchen sollten dabei weitgehend vermieden werden. Zum zweiten soll eine bessere Kommunikationzwischen den Beteiligten aus Wirtschaft und Staat geschaffen werden, um schnell und effizient auf Angriffe reagieren zu können. Zum dritten sollten Unternehmen der Kommunikationsbranche die Rolleannehmen, zur Sicherheit beizutragen – beispielsweise indem sie Kunden über Virenbefall ihrer Rechner unterrichten und Hilfestellung bei der Beseitigung bieten.

Zur Datenschutz-Grundverordnung lobte Friedrich die produktiven Gespräche zwischen Bundesregierung und EU. Man nähere sich in vielen Punkten einer gemeinsamen Linie, wobei das bisherige deutscheDatenschutzniveau erhalten bleiben soll. Allerdings bedürfen noch viele Details der Klärung: So sei das angestrebte Recht auf Vergessen technisch nicht umsetzbar; für Konzerne, die Datenauswertungund -handel in großem Ausmaß betreiben, müssten andere Sanktionen gelten als für kleine Unternehmen, die Daten nur zur Unterstützung ihres Kerngeschäfts verwalten; und es müsse vermieden werden, dassdie Kommission unklare Fragen ausklammere und später – weitgehend ohne Rücksprache mit den Mitgliedsstaaten – allein festlege. Es erschien ihm unwahrscheinlich, dass die Kommission von demaktuellen, sehr weitgehenden Verständnis abweiche, was alles ein personenbezogenes Datum sei. Allerdings müsse nicht jede Verwendung dieser Daten gleich streng reglementiert werden – dies könne mannach der jeweiligen Gefahrstufe entsprechend regeln.

Dem Minister folgte Prof. Dr. Martin Selmayr, Kabinettschef von Viviane Reding, Vizepräsidentin der Kommission und EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Sein Thema war deraktuelle Stand der Datenschutz-Grundverordnung. Konkret beschäftigten ihn drei Themen: die Gründe für das Verfahren insgesamt, die Frage nach Evolution oder Revolution des Datenschutzes und zuletztfünf ihm persönlich wichtige Aspekte der Reform.

Den Bedarf an einer Datenschutz-Grundverordnung begründete er mit Werten, Wachstum und Wettbewerb: Die Werte bezeichnen einen Datenschutz und ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung,das nach deutschem Vorbild Einzug in die Gedankenwelt der europäischen Verträge fand und nun in der Verordnung Ausdruck finden. Wachstumsfördernd soll die Harmonisierung wirken: Die bisherigeRichtlinie sei in den Mitgliedsstaaten so unterschiedlich umgesetzt worden, dass es hohe Markteintrittsbarrieren gebe. Eine Verordnung schaffe hingegen verlässliche Rahmenbedingungen für die gesamteEU. Dem Wettbewerb wiederum diene es, wenn alle Marktteilnehmer gleiche Spielregeln einhalten müssten. Dies sei nach der Verordnung der Fall – nicht nur für europäische, sondern für alleUnternehmen, die ihre Dienste in Europa anbieten.

Die Frage nach Evolution oder Revolution beantwortete er ganz klar: So gut wie alle zentralen Punkte der Reform stünden schon in der Richtlinie von 1995. Auch greife sie die ständigeRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auf. Insofern gebe es kaum Veränderungen – lediglich der betriebliche Datenschutzbeauftragte sei für viele Länder neu, jedoch nicht für Deutschland.Auch werde nicht wirklich Souveränität abgegeben, denn im Ergebnis führten Reform und bisherige Richtlinie zu denselben entscheidenden Instanzen. Die Verordnung würde das Verfahren lediglichabkürzen.

Die für Prof. Selmayr wichtigen Kernaspekte waren erstens die einheitliche Umsetzung der Verordnung – bei unterschiedlichen Auslegungen durch unterschiedliche Datenschutzbehörden inverschiedenen Ländern brauche es ein Vorgehen, mit dem in wenigen Wochen Einigkeit hergestellt werden kann statt mittels des üblichen mehrjährigen Vertragsverletzungsverfahrens. Zweitens pochte erauf die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden – und darauf, diesen Behörden einheitliche Mittel zur Sanktionierung von Datenschutzverstößen zu geben. Drittens widmete er sich der Frage der Regelnfür öffentliche Stellen: Hier sei noch Klärungsbedarf mit Deutschland, das in mehr als 400 Gesetzen datenschutzrelevante Regelungen treffe. Es zeichne sich aber als Lösung ab, dass Deutschland dieseRegeln halten könne, solange sie nicht im Widerspruch zur Verordnung ständen. Viertens stellte er klar, dass die Grundverordnung und die Richtlinie zur Harmonisierung von internationalerStrafverfolgung untrennbar zusammengehören – ohne Regelung für polizeiliche Ermittlungen gäbe es auch den gewünschten digitalen Binnenmarkt nicht. Fünftens stellte er klar, dass Datenschutz keinabsolutes Grundrecht sei, sondern immer in Abwägung mit anderen Grundrechten stünden. Insbesondere sei noch das Verhältnis von Datenschutz und Pressefreiheit zu klären – dies sei allerdings Aufgabeder für Medienrecht zuständig Einzelstaaten in Partnerschaft mit der für Datenschutz zuständigen EU.

Nach der Pause wurde das Thema in einer Podiumsdiskussion vertieft: Neben Prof. Selmayr nahmen MdB Gisela Piltz (FDP), Axel Springer-Justiziarin Dr. Jana Moser sowie der BayerischeLandesbeauftragte für Datenschutz, Dr. Thomas Petri, teil. In der Diskussion wurde nach der Grenze gesucht, ab der eine ausdrückliche Einwilligung in die Datenerhebung und Zusammenführung notwendigist. Die Datenschützer setzten diese Schwelle – erwartungsgemäß â€“ niedriger an als die Wirtschaftsvertreterin. Konsens herrschte allerdings dahingehend, dass für den Nutzer transparent seinsollte, was mit den Daten geschieht. Auch dass die Internetwirtschaft auf Datenauswertung angewiesen ist, stand außer Frage. Zu den Details der Umsetzung jedoch gibt es noch keine erkennbareKompromisslinie: Sowohl zur Frage von Opt-In oder Opt-Out als auch zur Frage, ob für alle Arten von Daten die gleichen Regelungen gelten sollten, waren die Parteien noch weit voneinander entfernt.Moser schloss mit dem Appell, dass neben dem Datenschutz auch noch etwas Wirtschaft möglich bleiben müsse.

Ähnlich umstritten war die Frage der Anbieterhaftung, also der Suche nach dem adäquaten Umgang mit rechtswidrigen Inhalten im Internet. Christian Hoppe vom Bundeskriminalamt, Prof. Dr. SvenMüller-Grune  vom Hosting-Provider Hetzner Online AG, Dr. Matthias Leonardy von der  Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen GVU und Oliver Süme für den europäischenProvider-Verband EuroIspa beleuchteten das Spannungsfeld zwischen Rechtsdurchsetzung und Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Moderator war Prof. Dr. Gerald Spindler, Rechtswissenschaftler an derUniversität Göttingen. Während Hoppe und Leonardy für eine Ausweitung der Provider-Verantwortlichkeit plädierten, um beispielsweise kinderpornographische Darstellung oder – ausdrücklich vonniedrigerer Relevanz – Urheberrechtsverletzungen verfolgen zu können, betrachteten Süme und Müller-Grune die bestehenden Regelungen nicht nur als nachweisbar ausreichend für die Verfolgung, sondernals essenziell für das Funktionieren der Internetwirtschaft. Der bestehende Rechtsrahmen der abgestuften Verantwortung, Ergebnis einer Enquete-Kommission von 1995/96, habe sich bewährt und dasWachstum der Internetwirtschaft erst ermöglicht. Veränderungen an einzelnen Aspekten zögen Unmengen von Kollateralschäden nach sich. Auch würden die Selbstverpflichtungen der Branche nachweisbarfunktionieren. Als Gegenbeispiel verwiesen BKA- und GVU-Vertreter auf Fälle, in denen der Ersteller strafrechtlich relevanter Inhalte nicht ermittelt werden könnte – hier sollte nach ihremVerständnis die Provider-Verantwortlichkeit ausgeweitet werden. Süme erläuterte, dass bei nachweislich rechtswidrigen Inhalten die Provider ohnehin zur Unterstützung bei der Verfolgung verpflichtetseien und dieser Aufgabe auch nachkämen. Allerdings seien die Nachweisversuche oft fragwürdig – und ohne belastbaren Nachweis gebe es keine Möglichkeit des Eingriffs, dies sei ohne gesetzlicheRegelung für solche Fälle schlicht rechtswidrig. Müller-Grune ergänzte die Information, dass das von ihm vertretene Unternehmen zwar eine mittlere fünfstellige Anzahl an Beschwerden überrechtswidrige Inhalte erhalte. Allerdings beträfe davon nur 15 Prozent Urheberrechtsdelikte und zehn Prozent kinderpornographische Inhalte, und davon wiederum sei nur ein kleiner Teil tatsächlichbegründet. Oft handele es sich um falschen Alarm.

Die abschließende Diskussion fokussierte auf das Thema Urheberrecht und die Frage, wie dieses entsprechend den Anforderungen des Digitalzeitalters gestaltet werden kann. Am Gespräch nahmen teil:Alexander Wolf von der GEMA und Timo Seidel aus der Rechtsabteilung von Kabel Deutschland. Durch das Gespräch führ Rechtsanwalt Henning Krieg, Syndikus der Lumesse GmbH. Dabei standen dieTarifmodelle der GEMA in der Kritik: Das lange Beharren auf hohen Forderungen gilt als Wirtschaftshemmnis. Wolf führte dazu aus, dass er im Rahmen enger rechtlichen Vorgaben verhandeln müsse –diese ließen kaum flexiblen Tarifmodelle wie etwa Einführungspreise für neue Dienste zu. Ein einmalig gesetztes Preisniveau sei quasi festgeschrieben, deshalb müsse von vornherein ein angemessenerTeil für die vertretenen Künstler erzielt werden. Wolf hält bessere Ergebnisse für alle Seiten für möglich, wenn der Gesetzgeber größeren Verhandlungsspielraum schafft. Ein weiterer Kritikpunkt warendie intransparenten Berechnungsgrundlagen der Tarife – dem wurde nur entgegengehalten, dass beide Seiten intransparent argumentierten. Unklar war die künftige Entwicklung der Tarife, da zahlreicheIdeen der EU-Kommission kolportiert werden, ohne dass zur Zeit Genaueres abzuschätzen wäre.

Nach Ende der Debatten nutzten die 80 Teilnehmer noch bis in den Abend die Gelegenheit zum informellen Austausch beim anschließenden Get-together.