21.10.2020

eco zum Verfassungsschutzrecht: Online-Durchsuchung kommt doch – dies schwächt Vertrauen in digitale Technologien

Der heute von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf für eine Reform des Verfassungsschutzrechts verpflichtet Internet-Provider und Telekommunikationsunternehmen zur Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst und den Verfassungsschutzbehörden: Unternehmen sollen demnach künftig auf Anordnung der Behörden eine Umleitung einrichten, um „verdächtige“ Datenpakete an die Behörden auszuleiten, die diese dann anschließend erst an den eigentlichen Empfänger senden.

Der Verband der Internetwirtschaft bewertet diese Ausweitung der Mitwirkungs- und Zusammenarbeitspflichten insbesondere mit Blick auf den Datenschutz und die IT-Sicherheitsanforderungen im Internet kritisch. In der Praxis entstünden so nicht nur für Unternehmen unverhältnismäßige Einschnitte in deren Geschäftsmodelle, auch drohen grundsätzlich erhebliche Verluste in die Vertraulichkeit und die Integrität der digitalen Kommunikation.

Dazu sagt eco-Vorstand Klaus Landefeld:

„Wir positionieren uns klar gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen und lehnen jede Form von Extremismus ab. Doch das nun geplante Verfassungsschutzrecht hat das Potential, das Vertrauen in die Sicherheit und Integrität der digitalen Kommunikation zu konterkarieren. Bei allem Verständnis für die Aufgaben und Belange der deutschen Nachrichtendienste: Dieses Gesetz wird zu einer Gefährdung der IT-Sicherheit im Internet, wenn nicht gar zu einem Vertrauensverlust und klarem Rückschritt für alle Digitalisierungsprozesse in Gesellschaft und Wirtschaft führen!“

Dies gelte insbesondere, wenn sich der Staat sogenannter Zero-Day-Exploits zur Platzierung der Staatstrojaner bedient, so der Verband: „Das Ausnutzen solcher Sicherheitslücken bedeutet ein großes Risiko, sowohl für Unternehmen als auch für die Bürgerinnen und Bürger. Es darf nicht zur gängigen Praxis in der nachrichtendienstlichen Tätigkeit werden. Die Anwender werden durch die ausgeweiteten Mitwirkungs- und Zusammenarbeitsverpflichtungen der Provider mit erheblichen Verlusten der Vertraulichkeit und Integrität Ihrer digitalen Kommunikation konfrontiert!“

Zum angeblichen Verzicht von Online-Durchsuchungen

Auch eine zeitliche Begrenzung ändere nichts daran, dass die nun verabschiedete Regelung zum Staatstrojaner, auch „Quellen-TKÜ Plus“ genannt, eine Online-Durchsuchung der betroffenen Geräte mit einem Zugriff auf die gespeicherten Daten der Nutzer/innen darstellt. Denn alle technisch notwendigen Module und Methoden zum umfassenden Datenzugriff würden dabei bereits auf die betroffenen Geräte installiert. Als rechtsstaatliche Schranke diene lediglich ein Verwertungsverbot von aufgefundenen Daten, welche älter als das Datum der Anordnung sind: „Das ist sowohl rechtsstaatlich als auch verfassungsrechtlich betrachtet in höchstem Maße unzureichend. Ob diese Gesetzesänderung, bei der Grundrechte extrem eingeschränkt, eine Quellen-TKÜ verankert und nun auch noch die Durchsuchung gespeicherter Daten via Staatstrojaner eingeführt werden sollen, überhaupt verfassungsgemäß ist, werden bedauerlicherweise wieder einmal die Gerichte entscheiden müssen“, so Landefeld.

Außerdem betont der Verband der Internetwirtschaft, dass die anstehende Ausweitung der Definition von Telekommunikationsdiensten auf Messenger-Dienste im Sinne der bevorstehenden TKG-Novelle eine zusätzliche Unsicherheitsquelle darstellt. Auch hier verweist eco darauf, dass die beabsichtigten Maßnahmen Gefahr laufen, am Anwendungsfall vorbeizugehen und vielmehr zu Wettbewerbsnachteilen für die Provider führen. Dabei ist Rechtssicherheit für die betroffenen Anbieter elementar wichtig.

Klaus Landefeld