03.01.2022

Digitalpolitischer Jahresausblick 2022: Aufbruch wagen – digitale Chancen nutzen!

2022 könnte ein Jahr des Aufbruchs und Wandels werden, wenn die neue Bundesregierung ihre Pläne für eine strategische Neuausrichtung der Digitalpolitik wahr macht, digitalpolitische Versäumnisse der letzten Jahre aufholt und wir alle gemeinsam noch stärker die enormen Chancen in den Blick nehmen, die Digitalisierung für viele große Herausforderungen unserer Zeit anbietet.

Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V., fordert in diesem Kontext eine konsistente und holistische Digitalstrategie, die Digitalisierung als Teil der Lösung versteht, innovative Effekte digitaler Infrastrukturen, Technologien und Dienste von Anfang an mitdenkt und somit vorhandene Innovationspotenziale konsequenter nutzt als bisher.

2021 hat uns gezeigt, dass Krisen nur bedingt beherrschbar sind und uns das durch Covid-19 geschaffene neue Normal vermutlich deutlich länger begleiten dürfte, als Anfangs angenommen.
Doch Krisen haben immer auch ihr Gutes. Sie zwingen uns, Lösungen zu finden, Wandel zu forcieren, neue Wege zu gehen.

Die Covid-19 Pandemie hat in Deutschland und in der ganzen Welt – gerade im digitalen Bereich – Entwicklungen ins Rollen gebracht, die unter anderen Umständen womöglich noch Jahrzehnte länger gebraucht hätten. Flexibles und mobiles Arbeiten, digitaler Unterricht von zuhause aus, virtuelle Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit im beruflichen wie privaten Bereich, die forcierte Digitalisierung vieler Wirtschaftsbereiche und die Transformation analoger Geschäftsmodelle ins Digitale – wir sprechen häufig von der disruptiven Wirkung technologischer Innovationen, in diesem Fall geschah die Disruption durch das Virus, aber digitale Technologien sind der Schlüssel zur Gestaltung dieser Disruption.

Und das gilt nicht nur für den Umgang mit der Pandemie. Die Digitalisierung ist Teil der Lösung vieler Herausforderungen, denen wir uns – ob mit oder ohne Pandemie – in den kommenden Jahren stellen müssen, sei es die Bewältigung des Klimawandels, der Umgang mit dem demografischen Wandel oder auch dem stetigen Kampf für Demokratie und Teilhabe auf der ganzen Welt.

 

Vertrauen und Sicherheit im Netz stärken

Vorfälle, wie die Mitte Dezember bekannt gewordene Sicherheitslücke Log4J, machen uns aber auch immer wieder die Vulnerabilität unserer durchdigitalisierten Gesellschaft, Infrastrukturen und Wirtschaft bewusst, die durch Cyberangriffe erheblich kompromittiert werden können.

 

Besonders dringenden Handlungsbedarf sehe ich daher beim Thema Vertrauen und Sicherheit, denn ohne Vertrauen in die Sicherheit und Integrität der digitalen Welt wird es nicht gelingen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale des digitalen Wandels zu erschließen.

 

Als Schlüsseltechnologie ist IT-Sicherheit durch die Digitalisierung zentraler Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Wirtschaft so wichtig wie nie zuvor. Wir begrüßen hier die geplante Förderung von Security by Design, das Schließen von Sicherheitslücken, eine Stärkung des BSI, die Pläne für ein effizienteres Schwachstellenmanagement sowie die Festschreibung von Ansätzen wie dem Recht auf Verschlüsselung.
Mit der geplanten Überwachungsgesamtrechnung stärkt die Bundesregierung die Freiheitsrechte von Bürger:innen und schafft eine wichtige Grundlage für mehr Transparenz gegenüber staatlichen Überwachungsbefugnissen. Die klare Absage des neuen Justizministers Marco Buschmann in Richtung anlasslose Vorratsdatenspeicherung lässt hoffen, dass die neue Bundesregierung auch in dieser Hinsicht ein neues Kapitel für eine konstruktive und maßvolle Sicherheitspolitik aufschlagen wird.

 

Aufbruch wagen

Klar ist: Der digitale Wandel muss politisch gestaltet werden, braucht eine Strategie, sowie Rahmenbedingungen, die Innovationen fördern, Unternehmen Rechtssicherheit und ökonomische Handlungsspielräume bieten sowie gleichzeitig die Rechte der Nutzer:innen wahren.

Ich bin zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung mit der Einrichtung des Ministeriums für Digitales und Verkehr die Dringlichkeit eines digitalpolitischen Neustarts in Deutschland erkannt hat und die vorhandenen Baustellen, beispielsweise im Bereich digitale Verwaltung, digitale Infrastruktur und digitale Bildung, zügig angehen wird.
Das Thema Digitalisierung findet sich im vorgelegten Koalitionsvertrag in beinahe allen Kapiteln und spiegelt somit die Bedeutung des Querschnittsthemas Digitalisierung gebührend wider. Der Wille zu einem digitalen Aufbruch der künftigen Bundesregierung ist klar herauszulesen. Die im Koalitionsvertrag adressierten Ansätze greifen die richtigen Themen und zeigen die Handlungsnotwendigkeiten auf.

 

Entscheidend für die neue Bundesregierung wird es in den kommenden Jahren sein, hier ressortübergreifend eine konsistente und gleichzeitig ambitionierte digitale Politik umzusetzen. Hierfür braucht es aus unserer Sicht eine digitale Gesamtstrategie, die einen klaren Fahrplan für die digitale Transformation in Deutschland liefert.

 

Digitale Chancen nutzen

Ein Thema, dass ich im Kontext „Chancen der Digitalisierung“ stärker hervorheben möchte, ist das Thema Nachhaltigkeit. Wir weisen schon lange daraufhin, dass diese beiden Themen zusammengedacht werden müssen, weil digitale Infrastrukturen sowie digitale Technologien und Dienste große Potenziale für die Bewältigung des Klimawandels und weitere Nachhaltigkeitsziele bieten. Das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 ist ambitioniert. Hierzu ist ein massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Verfügbarkeit unbedingt notwendig, um die damit verbundenen Herausforderungen für die Wirtschaft, insbesondere Rechenzentren, die nun schon bis 2027 klimaneutral betrieben werden sollen, konstruktiv zu flankieren. Das geplante Ende der EEG-Umlage ab 2023 wird hier ebenfalls hilfreich sein.

 

Klar ist: Eine forcierte Digitalisierung trägt durch das CO2-Einsparpotential nicht nur zum Umwelt- und Klimaschutz bei, sondern leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele.

 

Eine an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierte Digitalpolitik 2022, muss solche Effekte digitaler Innovationen von Anfang an mitdenken und langfristig in ein regulatorisches Gesamtkonzept einbinden, anstatt kurzfristig gedacht lediglich Regeln zur CO2-Einsparung in Rechenzentren aufzustellen.

Das betrifft nicht nur unmittelbare energiepolitische Aspekte. Auch ein rascher Ausbau vernetzter Mobilität sowie eine Stärkung des Technologiestandorts in Bezug auf innovative Technologien wie beispielsweise KI werden sich mittelfristig positiv auf Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele auswirken.

Ich wünsche mir für 2022, dass wir diese Debatte um Klima- und Nachhaltigkeitseffekte von Digitalisierung noch intensiver zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft führen und es uns vor allem gelingt, sie auf ein faktenbasiertes Level zu heben. Wir werden mit dem eco durch Studien und Diskussionsformate dazu beitragen und freuen uns auf den konstruktiven Austausch.

2022 birgt – wie schon 2021 – viele Ungewissheiten, insbesondere in Bezug auf die weitere Pandemieentwicklung. Umso dringlicher ist es, dass wir einen klaren und langfristigen Fahrplan entwickeln, wie wir mit dieser Herausforderung und anderen Entwicklungen unserer Umwelt und unserer Gesellschaft in Zukunft umgehen wollen. Die Digitalisierung wird uns hier auch in Zukunft effektive und wirkmächtige Lösungen anbieten. Es liegt an uns, diese so einzusetzen, dass möglichst alle von diesen Lösungen profitieren können.

Digitalpolitik muss der rote Faden des Koalitionsvertrags sein