- eco Vorstand: „Ein ‘Kompromiss’, der das anlasslose Scannen privater Kommunikation festschreibt, ist grundrechtswidrig, technisch fehlgeleitet & sicherheitspolitisch gefährlich.“
- Warum die Chatkontrolle der falsche Weg ist
- eco fordert in fünf Punkten Kurskorrektur bei EU-CSAM-Verordnung
eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. warnt vor der im Zuge der EU-Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch (CSAM-VO) geplanten Chatkontrolle und fordert die Bundesregierung und EU-Mitgliedstaaten auf, den Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft abzulehnen.
Der Entwurf, über den der Rat für Justiz und Inneres am 14. Oktober beraten wird, sieht weiterhin vor, dass Anbieter digitaler Kommunikationsdienste zur Durchsuchung privater Nachrichten verpflichtet werden können – auch bei Ende-zu-Ende-verschlüsselten Diensten. Neu ist zwar eine sogenannte „Einwilligungslösung“, die Nutzer:innen vor die Wahl stellt, einer Überwachung zuzustimmen oder zentrale Funktionen wie den Versand von Bildern und Videos zu verlieren. Aus Sicht von eco bleibt aber auch dieser Ansatz grundrechtswidrig und sicherheitspolitisch gefährlich: Das anlasslose Scannen privater Kommunikation würde eine unkontrollierbare Infrastruktur zur Massenüberwachung schaffen und sichere Verschlüsselung faktisch aushebeln.
Klaus Landefeld, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. sagt dazu: „Ein ‚Kompromiss‘, der das anlasslose Scannen privater Kommunikation festschreibt – ob nur nach bekannten oder auch nach unbekannten Inhalten – ist keiner. Er bleibt grundrechtswidrig, technisch fehlgeleitet und sicherheitspolitisch gefährlich. Wer Verschlüsselung schwächt, schwächt immer auch den Schutz von Bürger:innen, Unternehmen und kritischen Infrastrukturen. Deutschland muss im Rat klar ‚Nein‘ sagen.“
eco: Warum die Chatkontrolle der falsche Weg ist
Die EU-Kommission verfolgt mit der CSA-Verordnung das Ziel, Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet zu bekämpfen. Dieses Anliegen ist wichtig und richtig – der vorliegende Ansatz jedoch verfehlt aus mehreren Gründen das Ziel:
- Fehlende Wirksamkeit: Die Suche nach bereits bekanntem Material verhindert keinen laufenden Missbrauch (z. B. Grooming, Erpressung, Live-Delikte) und identifiziert keine neuen Täterkreise – sie zementiert einen reaktiven Ansatz und wiegt die Öffentlichkeit in falscher Sicherheit.
- Eingriff in sichere Verschlüsselung: Client-Side-Scanning und allgemeine Suchpflichten untergraben Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Das gefährdet Vertraulichkeit und Integrität digitaler Kommunikation – mit direkten Folgen für Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft.
- Hohe Fehlerrisiken & Grundrechte: KI-gestützte Erkennung ist fehleranfällig. Generalisierte Scans privater Inhalte sind unverhältnismäßig und kollidieren mit Privatsphäre- und Kommunikationsgrundrechten.
- Kriminalisierung Jugendlicher: Pauschale Überwachung und Meldepflichten bergen das Risiko, Jugendliche zu kriminalisieren (siehe u. a. Stellungnahmen des Kinderschutzes).
- Fehlallokation von Ressourcen: Milliardeninvestitionen in fragwürdige Scantechnik binden Mittel, die bei Prävention, Opferschutz, internationaler Lösch-Koordination und Stärkung spezialisierter Ermittlungen wirksamer zum Einsatz kämen. Das Ziel muss die Erhöhung der Aufklärungsquote sein, nicht eine weitere signifikante Erhöhung der Anzahl einzustellender Verfahren.
- Belastung für KMU & Vielfalt des Ökosystems: Weitgehende Risk-Assessment-, Such-, Melde- und Löschpflichten treffen unterschiedlichste Dienste – besonders kleine und mittlere Anbieter – technisch wie finanziell überproportional.
- Parallelstrukturen statt Stärkung von Bewährtem: Ein neues EU-Zentrum droht etablierte, funktionierende Beschwerde- und Löschwege (z. B. INHOPE-Netzwerk) zu doppeln und zu verlangsamen, statt diese zu stärken.
eco Vorstand Klaus Landefeld: „Kinderschutz braucht wirksame Maßnahmen – keine Symbolpolitik. Wir brauchen bessere internationale Löschprozesse, mehr personelle und technische Ausstattung für Ermittler:innen und zielgenaue Präventions- und Aufklärungsarbeit. eco betreibt seit rund 30 Jahren eine Beschwerdestelle, die sich mit täglich mit der Bekämpfung illegaler Internetinhalte befasst. Wir wissen also worüber wir sprechen, wenn wir sagen: Eine Infrastruktur zur anlasslosen Massenüberwachung hilft den Opfern nicht – sie gefährdet allein die Sicherheit aller.“
eco fordert in fünf Punkten Kurskorrektur bei EU-CSAM-Verordnung
- Klare Absage an anlasslose Scans privater Kommunikation – auch „nur“ nach bekannten CSAM-Inhalten.
- Keine Schwächung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – weder durch Client-Side-Scanning noch durch andere Umgehungstechniken.
- Stärkung bewährter Strukturen: konsequente internationale Löschung, schnellere Rechtshilfe, enge Zusammenarbeit mit Beschwerdestellen und Strafverfolgung.
- Fokus auf Prävention und Ermittlungen: Ressourcen in verdeckte Ermittlungen gegen Täterstrukturen, Opferschutz, Medienkompetenz und Beratung investieren.
- KMU-angemessene Regulierung statt pauschaler Pflichten, die Innovation und Vielfalt im europäischen digitalen Ökosystem bremsen.
Hintergrund: eco Beschwerdestelle erzielt 99 Prozent Löschquote
Die Beschwerdestelle von eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. arbeitet seit über 25 Jahren mit Strafverfolgungsbehörden und internationalen Partnern gegen illegale Online-Inhalte. Der aktuelle Jahresbericht 2024 zeigt die hohe Wirksamkeit bestehender Strukturen:
Im Jahr 2024 wurden 25 893 Hinweise zu potenziell strafbaren oder jugendschutzrelevanten Inhalten geprüft. In 42 Prozent der Fälle wurde ein Rechtsverstoß festgestellt – und in 99 Prozent der beanstandeten Fälle eine Löschung erreicht.
Die Zahlen belegen: Effektiver Kinderschutz funktioniert auch ohne anlasslose Überwachung. Zum Jahresbericht der eco Beschwerdestelle 2024 »
Mit Blick auf die anstehende Ratssitzung am 14. Oktober ruft eco Bundesregierung und Mitgliedstaaten auf, jede Zustimmung zu Scans privater Kommunikation ausnahmslos abzulehnen und sich aktiv für einen grundrechtskonformen, wirksamen Kinderschutz einzusetzen.
